Das Naturkundemuseum am Eingang der Pfaffendorfer Straße leidet seit Jahren an Unterfinanzierung. Nun soll es wahrscheinlich umziehen, in den ehemaligen Bowlingtreff am Leuschnerplatz. Nicht nur wir fragen uns: Was wird dadurch besser? Sinken nach dem Standortwechsel etwa die Kosten? Steigen die Besucherzahlen? Oder ist jemand am bisherigen Domizil des Museums interessiert?
Der Bowlingtreff wurde zur Jahreswende 1997/98 geschlossen. Bis dahin brachte u.a. Rainer Pietsch Steak und Pommes Frites an die Tische der Freizeitsportler. Der freundliche Kellner war in den 1980er Jahren Fußballer bei Vorwärts Frankfurt/Oder und Chemie Leipzig gewesen.
Unter der Überschrift „Mehr Geisterhäuser für Leipzig“ berichtete das Stadtmagazin BLITZ! im Februar 1998 Folgendes: „Leipzig, die Stadt der rekordverdächtigen Leerstände, hat ein Geisterhaus mehr: Den Bowlingtreff am Leuschnerplatz. Seit dem 5. Januar diesen Jahres ist das Haus dicht. Die Betreibergesellschaft Alpha Land GmbH hatte das Handtuch geworfen.
Dabei war man vor knapp fünf Jahren mit großen Plänen und Hoffnungen angetreten. ‚Die Alpha Land hat das Gebäude 1993 angemietet mit der Zielstellung, Mitte 1994 zu modernisieren und umzubauen‘, erzählt Geschäftsführer Uwe Wolf. Zu jener Zeit waren die Leuschnerplatz-Projekte in aller Munde und seine Gesellschaft sah sich – nicht zuletzt durch den Bowlingtreff-Eigentümer und -Vermieter Stadt – veranlaßt, in die Planungen von Commerz Leasing und Heilit & Wörner einzusteigen. Gedacht war an ein multifunktionales Freizeitcenter inklusive Bowlingbahnen und Multiplex-Kino am Standort des 1987 eröffneten Bowlingtreff Leipzig.
Alles gut und schön, bis 1995 die Commerzbank-Tochter ihr Engagement zurückzog und damit, laut Wolf, eine Lücke riß, die nicht mehr geschlossen werden konnte. Die einstigen Planungspartner trugen an den Kosten für die nun ungenutzten Pläne. ‚Seit diesem Ausstieg versuchten wir auf eigene Faust und mit neuen Partnern, unsere Ideen wahr werden zu lassen‘, so Wolf, ‚und sind auch lange Zeit optimistisch gewesen.‘ Bis dann schließlich im Herbst 1997 der zweite (nicht mehr) zu verkraftende ‚Schlag‘ erfolgte.
Der Burgplatz und Deutrichs Hof wurden von der Stadt als innerstädtische Kinostandorte favorisiert, der Multiplex-Partner der Alpha-Leute sprang ab. ‚Die Verhandlungen um bessere Rahmenbedingungen (d.h. vor allem um geringere Zahlungen an die Stadt – d. Red.), die wir seit Anfang 1997 führten, brachten maximal Scheinerfolge, aber keine anhaltend positiven Ergebnisse‘, sagt Wolf und verweist bitter auf die ‚Delegationen‘, die jetzt, nach Toresschluß durchs Haus am Ring streifen. ‚Jetzt verschafft sich die Stadt Kenntnis über ihr eigenes Objekt.‘
Drei Gründe hätten ihn dazu gebracht, den Bowlingtreff zu schließen, verrät der Leipziger Gastronom: Perspektivlosigkeit aufgrund der gescheiterten Planungen, Resignation wegen der erfolglosen Verhandlungen mit dem Vermieter und zuletzt eingefahrene Verluste wegen der inzwischen antiquierten Anlage.
20 Arbeitsplätze sind mit ‚futsch‘, und ein einstiges Symbol der Sportstadt Leipzig (übergeben zum letzten Turn- und Sportfest) gesellt sich mitten in der City zu den Geisterhäusern à la Kongreßhalle und Astoria. Für mögliche Nachmieter und zum Schutz vor Verfall und Zerstörung wird der Bowlingtreff derzeit durch den Betrieb für Beschäftigungsgförderung (ABM-Stützpunkt) gesichert.“
Auf der Internetseite der Kulturstiftung Leipzig lesen wir: „Das zentrale Projekt der Kulturstiftung Leipzig soll in den Jahren 2010-2012 die Revitalisierung des denkmalgeschützten Bowlingtreffs am Wilhelm-Leuschner-Platz sein“. Von einem „Umnutzungskonzept für den ehemaligen Bowlingtreff am Wilhelm-Leuschner-Platz zum Kulturzentrum Mitte“ ist die Rede.
Erklärt wird: „Der ehemalige Bowlingtreff am Wilhelm-Leuschner-Platz wurde von der Stadt Leipzig in den Jahren 1985 bis 1987 errichtet und war bis 1997 in Betrieb. Die Anlage entstand durch Umnutzung des 1926 erbauten unterirdischen Umformwerks Mitte, das um ein oberirdisches, oktogonales Eingangsbauwerk nach Entwurf von Winfried Sziegoleit ergänzt wurde. Die Anlage verfügte über 14 Bowlingbahnen in einer großen und in einer kleinen Halle, sowie über Billardtische, Spielautomaten, Fitnessraum, Konferenzraum / VIP-Raum, Skatklause, Büroräume sowie über ein Café im Eingangsbauwerk und weitere insgesamt 310 Gastronomieplätze im Untergeschoss. Die Kulturstiftung Leipzig beabsichtigt das gesamte Bauwerk von der Stadt Leipzig in Erbpacht zu übernehmen und es zum Kulturzentrum Mitte umzunutzen.“
Schließlich aber folgte jene Information: „Auf Wunsch der Stadt Leipzig ruhen diese Aktivitäten der Kulturstiftung Leipzig derzeit, da die Stadt erwägt im Bowlingtreff eine kommunale Einrichtung unterzubringen (Januar 2012 W.H.).“
Quelle: kulturstiftung-leipzig.de/projekte/aktuelle-projekte/
Bei der erwähnten kommunalen Einrichtung handelt es sich um das eingangs angesprochene Naturkundemuseum. Mal sehen, wie es weitergeht, wann und mit welchen Begründungen.
Nachtrag am 10.08.2017: „Direktor Leder: Naturkundemuseum soll in die Champions League“, müssen wir heute in der LVZ lesen, unerträgliche Großmannssucht und Wichtigtuerei im pseudovolkstümlichen Politiker-/Manager-Jargon. Aktueller Stand: Das Naturkundemuseum zieht in die Spinnerei und eröffnet in der dortigen Halle 7 „ab 2020“. Unser Eindruck: Während man den alten Direktor Rudolf Schlatter mit der üblichen Floskel „Kein Geld“ abspeiste, spielen die Millionen beim neuen, Ronny Maik Leder, keine Rolle.
Nachtrag am 16.12.2022: „Im März 2023 können die ersten Bauarbeiten am Bowlingtreff … beginnen, der zum modernen Naturkundemuseum umgebaut wird“, lesen wir heute in der LVZ. „Die Arbeiten im März sind ein Vorgriff auf die eigentliche Baumaßnahme, die 2024 starten soll … Das Naturkundemuseum soll nach dem Umzug etappenweise bis 2029 öffnen“.