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Das große Gose-Jubiläum

Das große Gose-Jubiläum

Zurückgekehrt von einer Reise nach Belgien, dem Land der exotischen Biere, fanden wir im Briefkasten das neue Gose-Buch vor. Herausgeber Henner Kotte versammelt darin „Köstliches und Geschichtliches“ zum Thema 200 Jahre Ritterguts-Gose. Das Rittergut befand sich im Gosedorf Döllnitz kurz vor Halle, seine Getränke flossen zu einem beträchtlichen Teil durch Leipziger Kehlen. Schließlich galt die Gose in unserer Stadt als „Spezialgetränk“, eingeschleppt vom Alten Dessauer, erst bloß nach Eutritzsch, während eines Krieges, der für Sachsen nicht ruhmreich endete …

Doch zurück zur Gose und den verschiedenen Erzählsträngen, die beachtet werden sollten. Zum einen geht es um das „gallische Dorf der Gose“, wie der Döllnitzer Bürgermeister Udo-Arno Schmidt seinen Ort bezeichnet, und die dort 1824 aufgenommene Brautradition, zum anderen geht es um die Gosetrinkerstadt Leipzig mit ihren einstmals unzähligen Fachgaststätten auf diesem Gebiet, um das Ende der Gose in den 1960er Jahren, um den Neubeginn in den 1980ern und um das Zusammenführen der Döllnitzer und Leipziger Linien in der heutigen Ritterguts-Gose.

Im Buch, das den kneipengesprächstauglichen Titel „Die Gose schmeckt frühmorgens gut, ist abends keine Plage …“ trägt und im Mitteldeutschen Verlag erschienen ist, kommen u.a. verdienstvolle Gose-aus-der-Versenkung-Holer wie Gunter Böhnke und Lothar Goldhahn zu Wort, wird das Döllnitzer Rittergut ausführlich beleuchtet, schreibt Frank Heinrich über „Tausend Jahre Gose!“ und führt Henner Kotte ein interessantes Interview mit dem Ritterguts-Gosen-Chef Tilo Jänichen, der in den 1990ern zuerst in der eigenen Küche und später in der Gaststätte seiner Eltern Gose zu brauen begann.

Dieser Tilo tat sich mit einem Nachkommen der Döllnitzer Rittergutsbesitzer zusammen, gemeinsam gründeten sie „am 9. September 1999 die alte Firma W. Goedecke & Co. neu, mit dem Ziel, die Tradition der Döllnitzer Ritterguts-Gose wiederzubeleben“. Das Ziel wurde erreicht! Und jetzt wird gefeiert: Zunächst die Buchpremiere am 18. August mit Gunter Böhnke und Henner Kotte im neuen Hafentheater am Hainer See (ausverkauft!) und dann das 200-Jahr-Fest von 6. bis 8. September im Gosedorf Döllnitz, u.a. mit Umzug, Rundgang zu historischen Gosestätten, einer zweiten Buchpremiere sowie Jazz, Chor und Tanz.

Frank Heinrich schreibt im neuen Gosebuch vom legendären Braumeister Johann Philipp Ledermann, der 1824 in Döllnitz an die Arbeit ging und auch gleich die Einheimische Christiane Friederike Helfer heiratete. 1852 starb Ledermann, seine Witwe führte die Geschäfte zehn Jahre weiter, um anschließend aus dem Saalkreis nach Lindenau bei Leipzig zu ziehen, wo sie sich ein Haus gekauft hatte.

Wir erfahren weiter, dass die Gose-Produktion in Döllnitz 1947 eingestellt und 1949 vom Leipziger Braumeister Friedrich Wurzler neu aufgenommen wurde. Wurzlers Unternehmen, am Ende Betriebsteil II von Ermisch Kronen Bräu, versorgte die Freunde des eigenständigen Getränks bis 1966 mit ihrer Labsal. Zu den ausdauerndsten Ausschankstätten gehörte das Hotel Fröhlich in der Wintergartenstraße, wo Gunter Böhnke als junger Academixer Zeit verbrachte und im Kreise seiner Freunde die „letzten Verschlussflaschen von Wurzler“ leeren durfte. Das Hotel verschwand 1968 von der Bildfläche …*

Gose gab es nicht mehr, doch in Vergessenheit geriet sie nicht, Gunter Böhnke schrieb 1983 (im Autoren-Duo mit Heinz-Jürgen Böhme) in den Leipziger Blättern Nr. 3 über sie, Bernd Weinkauf noch ein bisschen eher in seinem Buch „Leipziger Denkmale“**. Lothar Goldhahn eröffnete 1986 die Gohliser Gosenschenke neu und braute Anfang der 1990er Jahre in Dahlen, ehe Tilo Jänichen de facto den Staffelstab übernahm mit Gosebraustationen zunächst im Napoleon und dann bei Bauer. Heute kommt seine Ritterguts-Gose aus Chemnitz-Reichenbrand. Weiterhin in die Herstellung des geschichtsträchtigen Getränks eingestiegen sind der Bayrische Bahnhof, der Ratskeller, die eben erwähnte Gosenschenke sowie die Walhaei-Brauerei – Gosenvielfalt in Leipzig, die alte Tradition ist wieder lebendig!

* Peter teilte uns mit: „Nach dem Abriss vom Hotel Fröhlich gab es Gose im Schreberheim in der Holsteinstraße. Ich trank sie dort!“ Danke!
** von Bernd Weinkauf stammen auch die empfehlenswerten Titel „Gose-Häppchen“ und „Das Buch Gose“; in den Leipziger Blättern 57 (Herbst 2010) geht er übrigens den Folgen nach, die der Böhnke-Böhme-Beitrag vom Herbst 1983 für die Gose-Landschaft nach sich gezogen hat

Unsere Abbildungen sind zum großen Teil dem Buch „Die Gose schmeckt frühmorgens gut, ist abends keine Plage …“ (Mitteldeutscher Verlag Halle; Halle gilt neben Leipzig als die zweite „Gosehauptstadt“) entnommen. Wir danken Tilo Jänichen für deren Bereitstellung.