„Die Location ist vielleicht auch ein Geheimtipp, versteckt hinter Industriebrachen mit grünem Garten und vor allem gutem Eis“, gab uns Steve einen Hinweis auf das Bistro Fabrik 21, welches nachmittags zum Eiscafé mutiert. Wir verwechselten die Lokalität in der Fabrikstraße zunächst mit dem Bistro mit Pfiff in der Heinrich-Heine-Straße – das passiert, wenn man meint, man kenne sich aus – und fanden keinen Eisausschank. Zum Glück liegen die beiden Versorgungsbetriebe nicht weit auseinander und so kamen wir 17.29 Uhr bei Peter Jochmann an. Der räumte die fruchtigen Erfrischungen gerade weg, denn 17.30 Uhr ist bei ihm Schluss, rückte aber ohne zu zögern noch zwei Kugeln raus, Schoko und Eierlikör mit Apfelmus.
Wenige Tage später wiederholten wir das Ganze zu einer günstigeren Zeit und bestellten u.a. einen Schwedeneisbecher. Nun bekamen wir mit, dass hier auch Bienen, Meerschweinchen, Hühner und Schafe zu Hause sind und man Honig und Eier kaufen kann. Ein Huhn war gerade abgehauen und spazierte durch den blühenden Garten, in welchen die jetzigen Eigentümer den einstigen Hof von Mädlers Kofferfabrik verwandelt haben.
Von Kofferfabrikant Mädler kannten wir bisher die Passage, die Villa in der Hans-Driesch-Straße und den alten Produktionsstandort am Straßenbahnhof Angerbrücke (Luppenstraße), sogar Mädlers verschwundenes Kaufhaus in der Petersstraße war uns dank des Kontakts zu Dietrich Boddin (siehe unseren Beitrag „Modelle vom alten Leipzig“, September 2021) geläufig, aber nicht das ab 1942 gebaute Zweigwerk in Böhlitz-Ehrenberg. Die Informationstafel der örtlich zuständigen Geschichtsfreunde am Eingangstor zum Bistro klärt auf und auch Peter Jochmann weiß zu erzählen.
Mitten im Zweiten Weltkrieg, dem das Kaufhaus zum Opfer fiel, wurde hier eine weitere Kofferfabrik errichtet, mit 50er Wänden, also für die Ewigkeit. 1945 folgte die Verstaatlichung des später VEB Leipziger Feinlederwarenfabrik genannten Beitriebes. Bis 1991 wurde produziert, zuletzt unter dem Namen Varioled Lederwaren GmbH. Dann überließ man Gebäude und Gelände sich selbst, bis 2012 die Sanierung begann und schließlich 2017 das Bistro eröffnete. Eis wird hier seit 2020 gegessen. Der Becher kostet 6 Euro, eine Kugel 1,50 Euro, der Milchkaffee 3,50 Euro und das Mittagessen zwischen 5 und 7 Euro (wochentags), im Angebot befinden sich wechselnde Sorten Eis von Süßkind aus Lützschena.
Die Fabrikstraße übrigens kommt uns vor wie der Inbegriff eines Mischgebiets, Gewerbe und Wohnen, Villen und Hallen, Platz und Weite sowie das Bistro und ziemlich nahe sogar noch ein Hotel bilden hier ein geordnetes Durcheinander. An einem Haus in der Kurve grüßt die Figur eines Maurers aus den 1930er oder 50er Jahren und von der anderen Seite der Gleise der Eiffelturm aus der Hupfeldstraße („Essen unterm Eiffelturm“, Juni 2019).
Danke, Steve!