Innerhalb eines harmonischen Kreises füttert ein Mädchen einen Fisch. Womit? Wahrscheinlich mit Michelsoße. Alte und mittelalte Leipziger kennen das Logo und einige jüngere zumindest das Produkt, denn es gibt Michelsoße (konkret: Heringshappen in Michelsoße, dazu Salz- oder Petersilienkartoffeln) auch heute noch in der Mensa!
Das Unternehmen dazu allerdings wahrscheinlich nicht mehr. Auf Hinweis unseres Lesers Julius – Tausend Dank! – fotografierten wir im Dautheweg die Überbleibsel. In diese Sackgasse in der Nähe des Bahnhofs Stötteritz, links hinter einem Norma-Fachmarkt, wären wir nie von allein eingebogen. Aber genau dort finden sich Mädchen, Fisch und auch der Schriftzug Michel.
Im 1973er Fernsprechbuch des Bezirkes Leipzig ist der Betrieb unter „VEB Michel Leipzig, Fischmarinaden und Feinkostsalate“ eingetragen und in Clemens Meyers Buch „Als wir träumten“ wird er als „einzige Fischfabrik in Leipzig“ erwähnt, „denn das Meer war weit weg“. Auch für diese Zitate vielen Dank an Julius.
Und es geht weiter! Die Leipziger Volkszeitung berichtete am 23.01.2006 aus traurigem Anlass ausführlich: „Alex Pause, langjähriger Kopf der Stötteritzer* Kleinstfirma Michels Marinieranstalt, ist tot. Doch die berühmte Michelsoße, die lebt weiter“, heißt es da. Pause war im November 2005 im Alter von 86 Jahren gestorben. Die Firma gegründet hatte sein Vater Hans Pause 1918 in Mittweida, 1922 zog er mit ihr und der Familie nach Leipzig.
Wir lesen von 20 Mitarbeitern vor dem Zweiten Weltkrieg und sagenhaften 35 kurz nach der Wende. 2006 waren es dann laut LVZ und neuem Michel-Chef Bernd Friedrich von der Friedrich Fisch & Feinkost Handelsgesellschaft „eine Angestellte und zwei Teilzeitkräfte“. Ungünstigerweise war zu der Zeit auch der Schutz des Markennamens Michelsoße erloschen.
Das Fischmagazin („Fachzeitschrift für die gesamte Fischwirtschaft“) vermeldete im März 2013 ein „Insolvenzeröffnungsverfahren über das Vermögen der Friedrich Fisch und Feinkost Handelsgesellschaft mbH“. Spätestens da werden wohl die Tore im Dautheweg geschlossen worden sein. Schade!
Nachtrag: Unser Mitstreiter Andreas zog aus seinem Archiv eine Michel-Anzeige von 1957 sowie einen Artikel aus der Leipziger Rundschau vom 22.06.1994. In dem ist von „über einhundert Frauen“ die Rede, die „um 1950 … bei Pauses … Heringe in Michelsoße einlegten“. 1994 hatte „Fischwerker“** Alexander Pause dann 15 Angestellte und einen Verkaufswagen an seiner Marinieranstalt. „Dort gehen die Heringsfilets, Rollmöpse und Heringshappen weg wie der Aal vor der Wende.“
* der Dautheweg und die Stötteritzer Straße befinden sich im Stadtteil Thonberg
** so nennt ihn die Rundschau