Leipzig sollte man von der Mitte heraus entdecken. Mit der Mitte meinen wir die gemütliche, kleine Innenstadt, in der es belebte Straßen und Plätze gibt, aber auch solche, an denen fast nichts los ist. Am besten ist ein Start auf dem Markt. Hier steht das Alte Rathaus, das manche für das Neue Rathaus halten, wahrscheinlich weil es farbenfroher aussieht. Ein Besuch im Stadtgeschichtlichen Museum im Alten Rathaus ist zum Beispiel zu empfehlen. Gegenüber vom Alten Rathaus geht es ins Barfußgässchen, wo sich Kneipe an Kneipe reiht, wo so gut wie jeden Abend die Massen sitzen – die jüngeren gleich vorn im Spizz, die älteren weiter hinten im Traditionslokal Zills Tunnel. Dort, wo sich das Gässchen zu einem kleinen Platz weitet, findet sich rechts der Kaffeebaum, das älteste Kaffeehaus Leipzigs (oder gar Deutschlands?). Kaffee und Kuchen darin zu sich zu nehmen, ist stimmungsvoll, wenngleich nicht preiswert.
Und wenn wir einmal dabei sind: Ebenfalls gut mit Kaffee und Kuchen sitzt man im Riquet-Haus* (das mit den beiden Elefantenköpfen) und im Café Kandler an der Thomaskirche. Touristen sollten eine Leipziger Lerche probieren – es sei denn, sie mögen kein Marzipan – und sich die Namensgebung dazu erklären lassen. In dem Zusammenhang: Leipziger Allerlei spielt auf den Tischen der Normalleipziger keine sonderlich große Rolle.
Stolz sind die Einheimischen unter anderem auf die Passagen in der Innenstadt, auf die Vielzahl der Kabaretts, auf den ehemals größten Kopfbahnhof Deutschlands (oder gar Europas?), auf das Gewandhaus, die Thomas- und die Nikolaikirche und ein bisschen auch auf den Uni-Riesen, das ehemals für die Universität gebaute Hochhaus am Augustusplatz, das ein aufgeschlagenes Buch darstellen soll. Von der Dachterrasse des Uni-Riesen, auf die man gegen ein kleines Eintrittsgeld gelangt, hat man einen wunderbaren Blick über die Stadt. Eher ein Geheimtipp in Sachen Rundblick ist der Turm der Thomaskirche, der eine alte Türmerwohnung beherbergt. Auch der Turm des Neuen Rathauses (das wie eine Burg wirkt, weil an seiner Stelle einst die Pleißenburg stand) ist besteigbar, unseres Wissens nach in Zusammenhang mit einem Essen im Ratskeller.
Weiterhin zeigt der Leipziger sehr gern die Alte Handelsbörse hinterm Alten Rathaus und freut sich über den niedlichen Namen Naschmarkt für den Platz, an dem die Handelsbörse steht. (Wer auf Fernsehprominente steht, freut sich an der Rathausrückseite über einen Uhrmacher namens Oliver Pocher.) Vor der Handelsbörse winkt Goethe in Form eines Denkmals beinahe in Richtung Mädlerpassage, die bekannteste und prächtigste unter den Passagen (ehemaligen Durchgangs- bzw. Durchfahrtshöfen, heute überdachte Einkaufsstraßen) und Standort von Auerbachs Keller.
* 1991 brachte der Verlag C.J. Bucher (München und Berlin) in seiner Reihe “Bucher’s Städtereisen” einen Band über Leipzig heraus. In dem ist auf Seite 27 eine Aufnahme des Riquet-Hauses zu sehen. Zwischen den Elefantenköpfen prangt noch HO für Handels-Organisation und statt des schönen Cafés befindet sich ein Porzellan- oder Haushaltwarenladen („das Service“) im Erdgeschoss, die erste Etage (heute zum Café gehörig) scheint leer zu stehen.
Nachtrag im Januar 2021: Dank Jens und Veikko gibt es ab sofort den Beitrag „Leipziger Reklamemarken“ mit zwei interessanten Riquet- bzw. Riquetta-Abbildungen.