Am Donnerstag, dem 1. Juli 2021, wurde der Neubau der Sächsischen Aufbaubank (SAB) in Betrieb genommen. Zuvor stand hier zwischen Gerber- und Nordstraße, Packhof- und Keilstraße das Robotron-Gebäude. Der Autor unseres Beitrags, Peter Helbig, war 1970-88 Robotron-Mitarbeiter und ist heute in seiner Freizeit als Stadtführer tätig.
(P.H.) Am 1. April 1969 wurde das Kombinat Robotron durch Fusion mehrerer Betriebe gegründet. Die Zentrale Kombinatsleitung befand sich in Dresden am Pirnaischen Platz, Leningrader Straße. Ergänzend zu diesem Stammsitz wurde 1969/70 ein Gebäude in der Leipziger Gerberstraße 3-5 errichtet. Einschließlich Keller hatte der Leipziger Bau sechs Geschosse in den Maßen von 52 x 100 Metern mit zwei Lichthöfen – eine Anlehnung an das römische Atrium. Die Lichthöfe umfassten 23 x 25 Meter und sollten ursprünglich dem Pausenaufenthalt dienen, wurden dafür aber nie genutzt. Im Gebäude war nämlich neben dem Zentralvertrieb mit Handelsabteilung, Kundendienst und Ersatzteillager auch das Schulungszentrum ansässig, und Pausenhofgeräusche störten den Unterricht. Die Kursteilnehmer wohnten übrigens gleich gegenüber in der Gerberstraße 14 im Internat.
Wollten sie den Robotron-Haupteingang nutzen, mussten sie von der Packhofstraße kommen. Über den Arkadengang, an den Fenstern des Spiegelsaals vorbei, gelangten sie dorthin, wo die neueste Bürotechnik ausgestellt wurde. Hinter dem Spiegelsaal folgten der Kino- und Veranstaltungssaal für circa 500 Personen und dahinter das Großrechenzentrum, anfänglich EDVA R300, danach R21, später die ESER-Reihe 1040 und deren Nachfolger. Um 1970 wurden Programmcodes auf Lochkarte oder Lochstreifen gestanzt, dann in Maschinensprache übersetzt. Nicht alle Programme liefen sofort fehlerfrei, es gab mitunter Abstürze oder Endlosschleifen – die Programme mussten aufwendig getestet werden.
An die Ostseite des Gebäudes hatte man die Betriebsgaststätte für Belegschaft und Schulungsteilnehmer platziert, an die Nordseite Garagen für die Betriebsfahrzeuge. Als Besonderheit galten die Paternoster in den Haupt- und Nebenaufgängen, diese Art Fahrstuhl gibt es heute in Leipzig wahrscheinlich nur noch im Neuen Rathaus (siehe auch unseren Beitrag „Tschaui, Robotron“ vom Juli 2013, dort gibt das Foto Reste eines Paternosters)
Im September 1990 war das Kapitel Kombinat Robotron beendet. Bis 2012 nutzten Nachfolgefirmen die Immobilie, dann folgte der Abriss nach gerade einmal 42 Jahren „Lebenszeit“. In der näheren und weiteren Umgebung teilten weitere DDR-Bauten dieses Schicksal, die Leipzig Information am Sachsenplatz, die Wohnhochhäuser am Brühl inklusive des Polnischen Informationszentrums, die Fußgängerbrücke „Blaues Wunder“ und die Katholische Kirche am Rosental – das Hotel Merkur (heute Westin), 1981 von japanischen Investoren fertiggestellt, verfügt hingegen über Standfestigkeit auf sumpfigem Parthenboden. Auf dem Robotron-Gelände steht mittlerweile ein luftiger Komplex der Sächsischen Aufbaubank (SAB).
Kunst am Bau: Mit der Initiative „Kunst am Bau“ wurde Künstlern zu DDR-Zeiten eine Möglichkeit gegeben, sich zu präsentieren und zu finanzieren – über Auftragskunst. Im Robotron-Hauptaufgang waren auf allen vier Etagen große Gips-Reliefs (circa 3,60 x 2,50 Meter) zum Thema Datenverarbeitung und Zukunft angebracht. In den Lichthöfen stand jeweils eine Plastik: Gitarre spielender Mensch und Blume. Von den vier sichergestellten Reliefs sollen drei im SAB-Gebäude wieder sichtbar gemacht werden.
Danke, Peter!