Achtziger-Jahre-Jugendliche kennen „Westend Girls“ von den Pet Shop Boys und Ostende als belgisches Seebad, das sie nie gesehen haben. Und darum staunten wir nicht schlecht, als wir letztens von der Prager Botschaft zurück nach Leipzig fuhren (selbstverständlich mit dem Zug!) und dabei noch vor einem SpongeBob* in Eutritzsch einen uns unbekannten Bahnhof zwischen Paunsdorf und Thekla zu Gesicht bekamen.
Datenkrake Google half weiter. Es handelte sich um den ehemaligen Bahnhof Schönefeld. Den hatten wir bisher gleichgesetzt mit der S-Bahn-Haltestelle Leipzig-Ost**. Doch der wirkliche Bahnhof Schönefeld befindet sich in unmittelbarer Nachbarschaft zur Gartensparte Ostende. Und so liefert denn auch der Stadtverband Leipzig der Kleingärtner e.V.*** die entscheidenden Informationen. Wir danken und zitieren:
„Scheinbar völlig unbekannt oder vergessen liegt der Bahnhof Schönefeld am Ende der Elisabeth-Schumacher-Straße in Sichtweite des Leipziger Arzneimittelwerkes an der äußerst stark befahrenen Permoserstraße.“
„Der Bahnhof, der an der 1874 von der preußischen Staatseisenbahn in Betrieb genommenen Verbindungsstrecke von Leipzig nach Eilenburg, erst 1888 errichtet wurde, liegt auf Schönefelder Flur, jedoch zum damals noch eigenständigen Ort rund 2,5 km entfernt. Deshalb erlangte der versteckt liegende Bahnhof auch niemals eine besondere Bedeutung für den Personenverkehr. Bereits 1942 wurde die Beförderung von Fahrgästen eingestellt.“
„Genau gegenüber dem Schönefelder Bahnhof befindet sich der Südeingang in die Anlage des Gartenvereins ‚Ostende‘ e.V. Im ältesten Dokument des Gartenvereins heißt es, dass ‚das an dem Bahnhofe Schönefeld und der Paunsdorfer Flur gelegene 17.000 m² große Areal‘ besiedelt wird. Weiter geht daraus hervor, dass ‚… die Besitzer Kuntze, Schönefeld, und Kreysing, Leipzig, an Herrn Schrader, Sellerhausen, behufs Aufteilung zu Kleingärten dieses Gebiet verpachten‘. Aus einem späteren Dokument geht hervor, dass dieser Vertrag im Juni 1917 abgeschlossen wurde (Auszug aus ‚Geschichte und Geschichten der Gartengemeinschaft Ostende e.V.‘, 2006).“
Wir waren kurz nach der erwähnten Zugfahrt vor Ort und sahen, dass das bahnhofszugehörige Wohn- sowie das Toilettenhaus saniert werden, das Bahnhofsgebäude an sich aber wohl weiter verfallen wird.
Doch es gibt auch Wunder! In Wahren wird gewerkelt. Der Bahnhof**** dort verfügte einst über einen Turm (ähnlich wie in Schönefeld, siehe Bild 2), und es macht den Eindruck, als ob der wieder in die Höhe wächst. Wir beobachten das und blättern derweil im „Wahrener Geschichtsbuch“ (2014 herausgegeben vom Bürgerverein Möckern-Wahren e.V.*****; Abbildung einer historischen Bahnhofsansicht auf Seite 98).
Darin ist u.a. vom Bau der Eisenbahnstrecke Magdeburg – Leipzig (1840) und einer an dieser gelegenen „Personen-Haltestelle“ Wahren (1884) die Rede sowie von der Verbindung Wahren – Schönefeld, „die im Jahre 1904 begonnen und im April 1906 dem Verkehr übergeben wurde“.
Außerdem wird aus einem „Adressbuch des Leipziger Vorortes Wahren“ von 1907 zitiert: „Dieses neue Empfangsgebäude für den Wahrener Personen-Verkehr sowie Haltestelle von Leipzig nach Halle a.S. machte sich durch den Umbau und Vergrösserung des Güterbahnhofes mit nötig. Das frühere Gebäude wird jetzt als Oberbahnmeisterei benutzt und dieses neue Bahnhofsgebäude nach der Lindenthaler Seite verlegt …“
Erwähnt wird weiterhin die (Bahnhofs-)Wirtschaft von Gustav Münzner „nebst Frau Gemahlin“. Wir lesen von „allgemeiner Zufriedenheit“ und Frau Münzners „frequenter Küche“. Dazu fällt uns ein, dass in der Gaststätte der Kleingartenanlage Ostende die Oma kocht!****** Die besuchen wir mal. (Im Juni 2017 hat das endlich geklappt, siehe unseren Beitrag „Ab in die Gartenkneipen XII“.)
* siehe unseren Beitrag „SpongeBob an der Wand“ (Mai 2012)
** siehe unseren Beitrag „Entdeckungen in Schönefeld II“ (November 2012)
*** www.stadtverband-leipzig.de
**** siehe unsere Beiträge „Verlassene Bahnhöfe“ I (Februar 2012) und IX (März 2014)
***** www.bv-moeckernwahren.de
****** www.gartenverein-ostende.de