Als wir dachten, jetzt hätten wir die vier Gose-Akteure der Stadt zusammen, führte uns der Zufall zu einem fünften, zur Walhaei-Brauerei in der Walter-Heinze-Straße. Fünf Produzenten – das einstige Leipziger Nationalgetränk, welches von den Sechzigern bis in die Achtziger von der Bildfläche verschwunden gewesen war, wurde also erfolgreich wiederbelebt! Wie das vonstatten ging, lesen wir detailliert auf www.leipziger-gose.com („Geschichte der Gose“).
Für uns relevant ist die jüngere Historie, die mit der Neueröffnung der Gosenschenke durch Lothar Goldhahn im Jahr 1986 beginnt. Vier Jahre später übernimmt er die Löwenbrauerei in Dahlen, um dort Gose zu brauen – leider nur bis 1995. 1996 dann startet Tilo Jänichen Brauversuche, zuerst in seiner Küche, wegen der „ziemlichen Sauerei“, die er dort anrichtet, aber bald in der Küche der Birkenschänke, der Kneipe seiner Mutter. 1999 ist der junge Bornaer, der in Leipzig studierte, endlich mit dem Ergebnis zufrieden und gründet eine Gosenbrauerei (Ritterguts Gose). Zunächst lässt er sein Getränk im Napoleon herstellen, später bei Bauer, anschließend in Hartmannsdorf und seit 2015 in Chemnitz-Reichenbrand.
Eine zweiter Gose-Anbieter etabliert sich 2000 im Bayrischen Bahnhof, 2017 reihen sich die bereits erwähnte Gohliser Gosenschenke sowie der Ratskeller im Neuen Rathaus in den Kreis der Spezialgetränkehersteller ein und 2021 schließlich die Plagwitzer Walhaei-Brauerei*. Nicht vergessen werden soll in diesem Zusammenhang das Gosedorf Döllnitz kurz vor Halle, aus dem die Ritterguts Gose stammt. Deren bekanntes Markenzeichen „Der 84jährige nach 50jährigem Gosentrunk“ stellt den Schneidermeister Heise dar, welcher seine Gose täglich im Blauen Hecht in der Nikolaistraße zu sich nahm.
* Gosenbrauer Nr. 6 ist Cliff’s Brauwerk, das im August 2024 fassvergorene Lindengose im Angebot hatte
Drei Fragen an Tilo Jänichen
Wie kamst Du darauf, ausgerechnet die Döllnitzer Ritterguts Gose wiederzubeleben?
Das war eigentlich gar nicht mein Ziel, ich wollte ursprünglich meine eigene Gose machen. Dann hatte ich auf einer Erkundungstour nach Döllnitz zufällig Adolf Goedecke, den Sohn des letzten Ritterguts- und Brauereibesitzers, getroffen und war in der Folge immer mal bei ihm, um über meine Fortschritte zu berichten. Als ich der Meinung war, ich wäre mit der Gose soweit, hab ich es ihm erzählt. Er meinte plötzlich, das könnten wir doch zusammen machen! Da hab ich eingeschlagen und mit Hilfe meines zwischenzeitlich erworbenen „Hobbybrauer-Know hows“ und der alten Rezeptur schließlich die Ritterguts Gose im Kleinformat neu entwickelt. Die Umsetzung auf einen kommerziellen Maßstab – zunächst 9 hl – erfolgte dann im Sommer 1999 in einer Leipziger Gasthausbrauerei. 2001 sind wir aus Kapazitätsgründen zur Brauerei Bauer gewechselt.
Existiert der Gosestammtisch aus der Sinfonie noch?
Ja, der Stammtisch existiert jetzt schon über 20 Jahre. Der Weihnachts-Gose-Stammtisch fand erst am 16. Dezember 2022 in der Lutherburg statt.
In welche Länder exportierst Du aktuell Deine Gose?
In circa zwölf Länder, zuletzt regelmäßig nach Italien, Finnland, USA, Südkorea und Polen.
Unser Aufmacherbild zeigt die Goldhahnsche Neunziger-Jahre-Gose aus Dahlen (Sammlung und Foto: Tilo Jänichen). Herzlichen Dank an alle Etiketten- und Materialbereitsteller!
siehe auch unsere Beiträge „Der Gose-Wanderweg I und II“ (Juli bzw. August 2012), „Gose auf Tour“ (Juli 2018) sowie „Es waren einst sieben Brauereien“ (November 2021)