Gestern hatten wir schon wieder unverhofft freie Zeit, und dazu schien die Sonne, also schnappten wir den Fotoapparat und schlenderten durch Leutzsch. Eigentlich wollten wir ein paar ehemalige Industriestandorte fotografieren, doch für diesen Zweck kam das Licht aus der falschen Richtung. Nicht schlimm, denn es gibt immer was zu gucken – und plötzlich sahen wir ein interessantes Bild an einer ziemlich weißen Wand. Von weitem hielten wir es für eine Straßenkunst-Version von Leonardo da Vincis idealem Menschen, welcher Arme und Beine von sich streckt, von nahem erschloss sich dann, dass hier einem verrückten Kind à la Struwwelpeter die elektrischen Haare vom Kopf abstehen.
Hält der Kleine außerdem Zahnbürste und Zahnpastatube in der Hand? Oder eher doch Messer und Gabel? Und handelt es sich um ein Werk des von der Kunstwelt geliebten geheimnisvollen Banksy? Zu Hause durchsuchten wir das Internet, ohne dieses Motiv zu finden, stellten jedoch Ähnlichkeiten zu anderen Banksy-Bildern fest. Nun sind wir zwar sehr interessiert, aber keine Sachverständigen, weswegen wir „Banksy in Leutzsch?“ gestern schnellstmöglich auf unsere Facebook-Seite stellten (Danke für Eure Gedanken dort, Anke, Steffi und Constance!) und uns heute an die Hochschule für Grafik und Buchkunst und das Museum der Bildenden Künste gewandt haben. Mal sehen, was die sagen …
Die Kommentare in einer der Banksy-Facebook-Gruppen, in der wir unsere Entdeckung auf Constances Anraten hin gepostet haben, lauten bislang komplett No bzw. Nein, kein Banksy. Christina zum Beispiel begründet das dort so: „No social critic – no real Banksy“. Die hallische Nachtkünstlerin Fliesegrimm, welche wir direkt kontaktierten, bestätigt diese Sichtweise: „Banksy hätte nicht so ein detailreiches Gesicht gemacht und irgendwie fehlt hier auch die poetisch-anklagende Aussage.“ Außerdem seien Banksys Bilder „noch schattenrissiger“.
Zuvor hatte Steffi bereits auf unserer Facebook-Seite bemerkt: „Der Schablonenstil könnte stimmen. Aber das Motiv ist nicht typisch.“ Weiterhin meinte sie: „Der Brausekopf mit Roboter-Gebiss (Motiv) ist in seiner Aussage noch eher unverständlich und irritierend und reicht damit leider nicht an Banksy heran.“ Na gut, aber schön wär’s gewesen, was Steffi ähnlich sieht: „Ja, … ein richtiger Banksy – das würde Leipzig gut zu Gesicht stehen, oder? Ich finde Leipzig hätte es verdient.“
Nachtrag am 01.12.2021: Antwort aus dem Museum der Bildenden Künste, Pressechef Jörg Dittmer empfiehlt eine Prüfung über pestcontroloffice.com („Parent / legal guardian for the artist Banksy“). Wir schickten sofort eine Mail. Auch Meike Giebeler aus der HGB hat sich gemeldet, den hausinternen Experten für die Banksy-Frage aber leider noch nicht erreichen können. Dennoch herzlichen Dank!
Nachtrag am 09.12.2021: „… nun endlich kann ich Ihnen eine (Expert*innen-)Antwort auf Ihre Frage aus der HGB vermitteln“, schreibt Meike Giebeler heute. „Es handelt sich offenkundig um ein Schablonengrafitti im unteren Bereich einer Hauswand. Technik und Ort stimmen also mit anderen Grafittis von banksy überein. Darüber hinaus gibt es jedoch aus unserer Sicht keinerlei inhaltliche oder formale Ähnlichkeit zu Arbeiten des berühmten Streetart-Künstlers.“ Schade. Aus dem Pest Control Office kam übrigens bislang leider keine Reaktion …
siehe auch unsere Beiträge „SpongeBob an der Wand“ (Mai 2012), „Die blaue Kuh“ (Februar 2013) und „Die Simpsons in Leipzig“ (Dezember 2017)