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Von Arno Krebs bis Mikrosa

Von Arno Krebs bis Mikrosa

Das Geheimtipp-Leipzig-Facebook-Foto der Woche vom 10. Mai 2021 („Was wurde hier in der Mockauer / Ecke Volbedingstraße früher produziert oder repariert?“) reizte unseren alten Mitstreiter Andreas im Mai dieses Jahres zu seinem Beitrag „Dünger, Chrysler, GWL“ und jetzt zu dessen Fortsetzung!

(A.H.) Die Immobilie Mockauer Straße 8 befindet sich in Ecklage zur Grunertstraße. Sie besteht aus einem Eckwohnhaus und einer im Hof befindlichen Fabrikanlage. Das Foto der Woche zeigt das im Hof liegende Fabrikgebäude. Das Baujahr des Wohnhauses zur Grunertstraße ist mir nicht bekannt, es wurde vor 1909 erbaut. Die Fabrik im Hof könnte 1901 in Betrieb gegangen sein. Das ist zumindest das Jahr der Gründung der Firma Arno Krebs Werkzeugmaschinenfabrik mit der Adresse Mockauer Straße 8.

Um 1903 beschäftigte Arno Krebs acht Arbeitskräfte. Der Eintrag im Handelsregister des Amtsgerichts Leipzig erfolgte am 22. März 1913. Hergestellt wurden zu Beginn Drehbänke und Maschinen für das polygraphische Gewerbe, später hauptsächlich Fräsmaschinen. Und mit letzteren wurde das Unternehmen sehr bekannt, vor allem mit den sogenannten „Krebsfräsen“ vom Typ UF 3 und UFE 3P. In den 1930er Jahren erreichte die Firma Krebs aufgrund ihrer Innovationen eine marktführende Stellung im Bereich Fräsmaschinenbau. Die Produkte wurden exportiert und es wurden Lizenzen vergeben.

Schon 1917 wurde der Betrieb infolge einer Erbschaft von Arno Johannes Krebs übernommen, dem Sohn von Gründer Franz Arno Krebs. Er erwarb im Laufe des Jahres 1935 ein Fabrikgebäude schräg gegenüber, in der Mockauer Straße 9. Ein Jahr später wurde auch dort produziert. Die Adresse der Firma lautete nun Mockauer Straße 8 und 9. Bis 1929 war in der Nummer 9 die Mitteldeutsche Maschinenbau-Gesellschaft mbH ansässig. Wie der Zufall es wollte, produzierte die Gesellschaft bis dato Fräsmaschinen.

Die Zwischennutzung besorgte von Anfang bis Mitte der 1930er Jahre Alfred Jockisch mit seiner Motorrad-Zubehör-Fabrik, hier entstand z.B. für Gespann-Fahrer ein „Juwel“ – „Der Seitenwagen für den verwöhnten Fahrer“, wie die zeitgenössische Reklame mitzuteilen wusste. Außerdem war dort noch Max Würdig mit dem Bau von Möbelwagen und kleinen, dreirädrigen Transportern beschäftigt. Würdig zog 1936 nach Bad Düben und befasste sich mit dem Bau von Wohnwagen, sein Sohn Karl-Bernhard Würdig startete 1955 eine Serienproduktion und wurde später mit dem „Dübener Ei“ in der ganzen DDR bekannt. Die Würdigs gehören damit zu den Pionieren des Campingfahrzeugbaus.

Wie schon erwähnt werden die Fabrikgebäude ab 1936 von der Werkzeugmaschinenfabrik Krebs genutzt. Der Standort Mockauer Straße 9 soll im Februar 1945 durch Bombenangriffe stark zerstört worden sein. Zumindest hatte es wohl das Vorderhaus Nummer 9 erwischt. Erst Ende 1945 konnte die Produktion wieder aufgenommen werden. 1946 wurde die Firma Krebs enteignet und am 1. Juli 1948 rechtswirksam verstaatlicht. Bis zu dieser Zeit fand die Adresse Mockauer Straße 8 und 9 Verwendung. Im Anschluss wechselten Firmensitz und Bezeichnung der Nachfolge-Unternehmen.

Am ursprünglichen Krebs-Standort Mockauer Straße 8 und 9 produzierte ab 1948 der VVB Werkzeugfabrik Leipzig-Mockau. Durch betriebliche Zusammenlegung entstand 1952 der VEB Fräsmaschinenwerk Leipzig, in der Mockauer Straße befand sich das Werk I. Nach einer erneuten Zusammenlegung von Produktionsstandorten 1958 wurde das Unternehmen in VEB Fräs- und Schleifmaschinenwerk Leipzig umbenannt, weiterhin mit dem Werk I an den beiden Standorten in der Mockauer Straße.

1964 erfolgt eine erneute Umbenennung, nun in VEB Mikrosa Leipzig. Auch nach dieser Namensänderung bestand in Mockau das Werk I. Die Betriebsgebäude Mockauer Straße 8 wurde in den 1960ern bis etwa 1990 u.a. als Lager für die Grundmaschinen-Montage und Sitz der Versandabteilung genutzt. Im Obergeschoss befand sich die Rechnungserstellung für Mikrosa-Erzeugnisse, welche von vor 1976 bis etwa 1990 dort tätig war. Das Werk I von Mikrosa wurde 1990 abgewickelt bzw. geschlossen.

Die Räumlichkeiten in der Mockauer Straße 9 nutzte später das Bekleidungsunternehmen Adler einige Jahre behelfsmäßig zum Verkauf, bevor es im Sachsenpark einen eigenen, neuen Modemarkt eröffnete. Weitere Nutzungen der Gebäude sind uns leider nichts bekannt. Zurzeit (2021) sind im Vorfeld der Mockauer Straße 8 Bauarbeiten im Gange.

Nachfolgend ein Erklärungsversuch zur Metamorphose von Arno Krebs bis Mikrosa

  1. Wie oben erwähnt wurde die Firma Krebs 1946 enteignet. Nun firmierte das Unternehmen ab 1948 mit dem Namen Werkzeugfabrik Leipzig-Mockau als VVB des Landes Sachsen (VVB = Vereinigung Volkseigener Betriebe, Zusammenschluss mehrere Betriebe einer Branche zum Aufbau einer sozialistischen Planwirtschaft).
  2. 1952 wurden die Betriebe VVB Werkzeugmaschinenfabrik Leipzig-Mockau (vormals Arno Krebs) und Leipziger Fräsmaschinenfabrik (vormals Müller & Montag) zum VEB Fräsmaschinenwerk Leipzig zusammengelegt. Das Werk I befand sich in der Mockauer Straße 8 und 9, das Werk II in der Lützner Straße 93-99.
  3. 1958 erfolgte ein weiterer Zusammenschluss. Mit der Eingliederung des VEB Leipziger Maschinen- und Vorrichtungsbau in der Lindenauer Saarländer Straße 20 als Werk III war wieder ein Namenswechsel fällig. Die drei Standorte wurden als VEB Fräs- und Schleifmaschinenwerk Leipzig zusammengefasst. Der Firmensitz befand sich nun in der Saarländer Straße.
  4. 1964 erfolgte eine erneute Umbenennung, nun in VEB Mikrosa Leipzig. In dem Zug wurde die Fräsmaschinenproduktion nach Auerbach ausgegliedert.
  5. Und noch ein Namenswechsel erfolgte 1970. Der VEB Mikrosa Leipzig verlor seine Eigenständigkeit und ging im VEB Werkzeugmaschinenkombinat „7. Oktober“ Berlin auf. Im Zuge dieser Kombinatsbildung wurden der VEB Mitteldeutscher Holzbearbeitungsmaschinenbau MIHOMA (ehemals Kirchner & Co., Sellerhausen, Torgauer Straße 43) als Werk IV eingegliedert sowie der VEB Werkzeugmaschinenfabrik Naumburg (ehemals Fa. Gehring) als Werk V. Die Betriebsanlagen in Sellerhausen wurden für die Erweiterung der Produktionskapazitäten notwendig. In den 1970ern wurde Mikrosa mit einer Jahresproduktion von etwa 400 Maschinen zum weltweit größten Hersteller von spitzenlosen Außenrundschleifmaschinen.

A.H.: Für die Unterstützung bei den Recherchen möchte ich mich bei Reinhard Krabbes und Lothar Biehling bedanken. +++ Und wir danken Andreas ganz herzlich für diesen Beitrag!