Mit Lehrlings-und-bis-heute-Kumpel Norbert (Drucker mit Abitur u.a. in der Sternwartenstraße) ging es schon Ende der Achtziger in Abrisshäuser, an denen damals kein Mangel herrschte. In den beginnenden Neunzigern besuchten wir auch den Grönländer in der Petersstraße. Hier ist ein „Reprint“ aus Norberts alten Aufzeichnungen:
„Von 1750 bis 1875, solange er im Besitz von Kramermeister Johann Martin Haugk bzw. dessen Erben war, hieß der Grönländer Haugks Haus. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gehörte er der Leipziger Familie Kühne, die darin eine Eisenwarenhandlung betrieb. Zur Entstehung des heutigen Namens existieren verschiedene Meinungen.
Der Haustradition nach soll Martin Haugk oder richtiger einer seiner Nachkommen beim Robbenfang im Nördlichen Eismeer schiffbrüchig geworden und von einem Eskimo (Grönländer) errettet worden sein. In Erinnerung daran soll 1875 das Bild eines im Grönländer fahrenden Eskimos über Haustür angebracht worden sein. (nach „Häusernamen von Alt-Leipzig“, 1931)
Eine andere Deutung besagt, dass ein Vertreter der Familie Kühne* als Firmenchef der Eisenwarenhandlung bei einer seiner Einkaufstouren per Schiff im nördlichen Norwegen vom Packeis eingeschlossen wurde. Ein Grönland-Eskimo lotste das Schiff aus dem Eis heraus. Aus Dankbarkeit lud Familie Kühne den Mann nach Leipzig ein. Dieser kam auch, indem er die lange Strecke von Grönland bis Kiel im Kajak zurücklegte (so die Überlieferung). In Kiel verstarb jedoch der Eskimo, womöglich an den Folgen der Strapazen der Überfahrt. Kühnes kümmerten sich um das Begräbnis, übernahmen Kajak und Kleidung und ehrten den Grönländer mit ihrem Hauszeichen.“
So oder so, Haugk oder Kühne, wir waren auf jeden Fall kurz nach der Wende im besagten Gebäude, um zu fotografieren. Tausend Dank an Norbert für seine Ordnung und Übersicht sowie das Bereitstellen der bald 30 Jahre alten Dokumente!
* siehe Nachtrag 2
Nachtrag 1: Andreas hat noch was Schönes gefunden, eine Ansicht von 1920 aus dem Mess-Adressbuch, Band V. Super! Danke!
Nachtrag 2: Rainer Guthknecht meldete sich am 04.03.2020 bei uns. Er schrieb: „Die Immobilie wurde von dem Unternehmer und Philantropen Peter Krüger mit viel Herzblut (ja und auch Geld) saniert. Anschließend wurde der Grönländer in die Erich-Krüger-Stiftung überführt. Etwa ein bis zwei Millionen Euro jährlich kamen dadurch der Bergakademie im sächsischen Freiberg zugute. +++ Übrigens hätten wir uns 1990 im Grönländer gut begegnen können. Unseren Aufstieg zu den Tauben im Dachboden habe ich gut im Gedächtnis. +++ Die Homestory mit dem Eskimo hätte der Familie Kühn (nicht: Kühne) sicher gut gefallen. Ich bleibe vorerst bei der ersten Variante. Mein Urgroßvater Paul Kühn (siehe auch die Tafel im Deichmann-Laden) gründete jedoch den gleichnamigen Werkzeughandel und eine Hobelfabrik mit einem aus heutiger Sicht visionären Versandsystem. Annähernd jährlich erschien ab circa 1890 ein umfangreicher Katalog mit bis zu 250 Seiten, entstanden im Zeichnungssaal des Hauses Grönländer.“ Besten Dank! Auch für die Klärung, dass der Name also auf die Familie Haugk zurückgehen wird.
Nachtrag 3: Im Café Eigler sahen wir im Juli 2020 eine Waage mit Paul-Kühn-Aufkleber. Zu unserer Überraschung kannte selbst Rainer (siehe Nachtrag 2) diese Art der Gestaltung noch nicht. Er meint: „Ich tippe auf die Zeit zwischen 1945 und 1953.“