Filmfreund Jens möchte genau wie wir diverse Leipziger Erinnerungen vor dem Vergessen bewahren und präsentiert uns hier eine frische Geschichte zum Gästehaus am Park. Herzlichen Dank dafür!
(J.R.) In der Schwägrichenstraße 14 entstand bis 1969 das Gästehaus des Ministerrates und Politbüros der DDR (so der offizielle Name), ein zweigeschossiger Flachbau und ein sechsgeschossiges Gebäude mit Blick auf den Clara-Zetkin-Park inklusive erstklassiger Gastronomie, 1a Service, Speise- und Konferenzsälen sowie hauseigenem Kino. Das Haus wurde bereits 1968 von Partei- und Staatschef Walter Ulbricht eröffnet. Neben Ulbricht logierte auch dessen Nachfolger Erich Honecker mindestens zwei Mal pro Jahr, nämlich jeweils zur Leipziger Messe (einstmals als Frühjahrs- und Herbstmesse ausgerichtet) im Gebäude. Dort fand man zu DDR-Zeiten einen hohen Standard vor, modern möblierte Zimmer, teilweise mit großzügigen Sitzecken. An den Wänden hingen geschmackvolle Bilder. Hier residierten hin und wieder auch Promis, wie David Hasselhoff, Sandra, Johnny Logan, Franz Beckenbauer, die Fußballmannschaft des 1. FC Lok Leipzig sowie die DDR-Fußballnationalmannschaft.
Trotzdem oder gerade weil es lange Zeit kein öffentlich zugängliches Haus gewesen ist, rankten sich schon immer Gerüchte um dieses Gebäude. Legenden, falsche Nachrichten über Pracht und Pomp im Inneren oder über einen Bunker sowie eine Abhörzentrale unter der Erde hielten sich hartnäckig. Tranken Honecker & Co. zu Messezeiten und denen der Landwirtschaftsausstellung auf dem Agra-Gelände hier wirklich DAB-Dosenbier und lasen die Frankfurter Allgemeine Zeitung? Und war der Bunker atombomben- oder nur abhörsicher? Richtig ist, dass sich Honecker ab und an ein Dosenbier gönnte und die FAZ las, sich aber ansonsten gern sein Leibgericht Kassler mit Sauerkraut servieren ließ. Gefragt von seiner Seite waren ebenfalls hausschlachtene Wurst und marinierter Hering sowie morgens Langnese-Honig. Richtig ist auch, dass der Rat des Bezirks und die SED-Bezirksleitung, obwohl sie über eigene Gästehäuser verfügten, das Haus zu besonderen Anlässen nutzen durften. Falsch dagegen ist die Sache mit dem Bunker und den Abhöranlagen, das gab es beides nicht.
Das spätere Gästehaus am Park (GAP-Hotel) öffnete 1995 letztmals seine Pforten. An der Fassade leuchtete damals die Beschriftung GAP. 75 Mitarbeiter betreuten im Zwei-Schicht-System die „normalen“ Besucher und Gäste. Von 11 Uhr bis Mitternacht standen das Park-Restaurant, ein Konferenzraum, sowie der „Blaue Salon“ und der „Salon Leipzig“ offen. Besonders gefragt in dieser letzten Periode war die Honecker-Suite für 400 D-Mark pro Nacht. Die Suiten der ehemaligen Spitzenfunktionäre befanden sich im Flachbau mit Blick auf den Clara-Zetkin-Park. Dann wurde das Inventar versteigert, denn die Hamburger Restaurantkette Block House, bekannt für ihre Steak-Häuser und das Elysee-Hotel hatte 20 Millionen D-Mark an die Treuhand gezahlt und wollte hier ein Luxushotel errichten, Fünf Sterne mit 350 Betten, drei Restaurants, Wellnessangeboten und einem 1.000 Leute fassenden Saal. Doch dazu kam es nie.
Stattdessen machte jahrelanger Leerstand die zum Teil denkmalgeschützte Immobilie zum Schandfleck. Nach 25 Jahren Verfall und Zerstörung rollten endlich die Bagger an. Nun baut die Unternehmensgruppe LEWO an Ort und Stelle circa 130 Miet- und Eigentumswohnungen mit Grundrissen von 70 bis 120 Quadratmetern, Tiefgarage und begrünten Dächern. Zusätzlich zum Vorhandenen entsteht siebengeschossiger Neubau an der Ecke von Karl-Tauchnitz- und Haydnstraße.
siehe auch unsere bzw. Jens‘ Beiträge „Die Kellnerin vom Gästehaus“ (Februar 2021) und „Ein Film übers Astoria“ (August 2019)
Nachtrag am 17.09.2023: Das Gästehaus sei nun komplett saniert, meldete die LVZ gestern und erwähnte DAB und FAZ (siehe oben). Die Zeitung schrieb außerdem von 118 Wohnungen in drei Gebäuden (eins davon wurde neu hinzugesetzt) sowie von einem rekonstruierten Bernhard-Heisig-Wandrelief im Foyer. Leider kommt man da nicht einfach so hinein, bemerkten wir heute bei einem Besuch vor Ort …