Eutritzsch war mal berühmt – als „das Zentrum der Leipziger Goselandschaft“. Die dortige Gosen-Schänke war Ausgangspunkt der ganzen Goserei und Ausflugsziel für Studenten, Städter und Neugierige. Diese Schänke (mit direkter Beziehung zum Alten Dessauer) gibt’s nicht mehr, dafür die in Gohlis. Weiteres dazu im „Buch Gose“ (2005) von Bernd Weinkauf und Hartmut Hennebach.
Uns soll’s an dieser Stelle aber gar nicht um die Gose, sondern um den Stadtteil Eutritzsch gehen. Der ist heute nicht mehr so berühmt, was aber nichts heißen soll. In den 1990ern sendete Radio PSR aus der Delitzscher Straße – jetzt direkt vom (Leipziger) Markt aus. Dabei hat auch Eutritzsch einen Markt! Und ein schönes Rathaus. Am Markt sieht’s zum Teil sogar noch dörflich-gemütlich aus, auch in der Gräfestraße mit ihren schönen Villen und einigen alten Bauernhäusern.
Eines dieser alten Häuser ist das Geyserhaus, ein Kulturhaus mit Kneipe (z.B. Eutritzscher Zwiebelsteak, 7 Euro) und Parkbühne* – ein schöner Komplex mit schönem Programm (www.geyserhaus.de). Namensgeber und Ex-Bewohner Geyser (1742-1803) war Kupferstecher, Illustrator und Lehrer an der Leipziger Kunstakademie. Sein Haus stand Ende der 1980er kurz vorm Abriss – kaum zu glauben, wenn man’s heute sieht. Die zugehörige, unerwartet attraktive Parkbühne inklusive einigen Drumherums findet man im hinteren Teil der ebenfalls attraktiven, nach Arthur Bretschneider benannten Grünanlage**. Eutritzsch wird unterschätzt!
Als Kinder waren wir mal in den Eutritzscher Lichtspielen*** (in der Schiebestraße), das unserer Ansicht nach damals älteste und kleinste Kino der Stadt (wir kannten nicht alle aus eigenem Erleben), allerdings auch eins, in dem man ohne Alters- oder Ausweiskontrolle Erwachsenenfilme sehen konnte. Deswegen waren wir ja da! Und die Eutritzscher Straße, in der auch das Stadtbad seinen Haupteingang hat, war Teil unseres Schulwegs. Teil von Eutritzsch ist sie erst als Delitzscher Straße. Und dort, wo die beginnt, am Chausseehaus, steht der TV-Club, ein guter Partymachladen für Studenten.
Im „Ortsteilkatalog 1995“, herausgegeben vom Amt für Statistik und Wahlen der Stadt Leipzig, ist über Eutritzsch u.a. vermerkt: „Mischgebiet aus Wohn- und Industriebebauung, Wohnhäuser z. T. abrißreif, z. T. auch recht gut erhaltene Quartiere der 20er und 30er Jahre (darunter die Siedlung Meyersche Häuser), Reste des alten Dorfes Eutritzsch; Magistrale: Delitzscher Straße; … Neugestaltung des Eutritzscher Marktes als Stadtteilzentrum; Fertigstellung des Business-Parks ‚Zschortauer Straße‘.“
Ebenfalls interessant zum Thema Eutritzsch: „Konrad Riedel (CDU), seit vielen Jahren Stadtrat … hat den langen Umbau der Delitzscher Straße Ende der 90er noch gut in Erinnerung. ‚Verkehrstechnisch hat er sich gelohnt‘, sagt er, ‚aber für die Entwicklung der Straße war das verheerend.‘ Einst säumten viele kleine Geschäfte die Delitzscher. ‚Dann war die Straße fertig, und die Läden waren zu.‘ Für ihn steht fest: ‚Die Stadt hat die Delitzscher Straße totsaniert.‘ 34 Geschäfte verschwanden. Selbst von denen, die für ihre Gewinnausfälle eine Entschädigung erhielten, existiert nur noch ein Laden. Riedel selbst hatte dort eine Bäckerei … Nach 27 Jahren musste der Bäckermeister 2002 aufgeben … mehr als zehn Jahre nach dem Umbau gibt es laut Riedel ‚zwischen Essener Straße und Eutritzscher Zentrum keine Geschäfte'“ auf der Delitzscher Straße (aus Leipziger Volkszeitung vom 7. November 2012).
* siehe unseren Beitrag „Eutritzsch Crime“ (August 2013)
** siehe unseren Beitrag „Leipziger Grün IV“ (Juni 2014)
*** siehe unseren Beitrag „Eutritzscher Lichtspiele“ (August 2013)