„Die Patentmatratzenfabrik wurde von Alfred Hüttner im Jahre 1920 in Leipzig gegründet. Durch Erzeugung von Qualitätsware entwickelte sich das Geschäft gut, so daß die Geschäftsräume selbst nach verschiedenen Veränderungen nicht mehr ausreichend waren. Die Fabrikation von Auflagematratzen, Reformunterbetten und Schonerdecken wurde später noch aufgenommen. Nach der bisherigen Entwicklung ist dem jungen Unternehmen gewiß eine weitere Ausdehnung gegönnt. Im Jahre 1935 wurde die Fabrik in Mölkau bei Leipzig, welche 30 Jahre im Besitz der Gebr. Sternkopf gewesen ist, käuflich übernommen.“
Quelle dieses Zitats ist das Buch „Mölkau-Zweinaundorf – Eine Heimatgeschichte“, erschienen 1995 im Sax-Verlag Beucha als Reprint der Originalausgabe von 1937. Joachim Häring, der heute in der ehemaligen Matratzenfabrik wohnt, stellte es uns freundlicherweise zu Recherchezwecken zur Verfügung wie vor allem auch die historischen Fotografien und seine Erinnerungen. Letztere lauten wie folgt:
Hüttners hatten eine Tochter, Anneliese Ramthor, eine Kaufmannsfrau durch und durch. Auch nach dem Krieg wurden in Mölkau also Matratzen produziert sowie gesteppte Betttücher – die Ramthors hatten immer Ideen. Ihr Betrieb gehörte zu DDR-Zeiten zur Erzeugergruppe Matratzen. 1972 folgte die Verstaatlichung, über die sich Herr Ramthor dermaßen ärgerte, dass er an einem Herzinfarkt starb.
Die Matratzenfabrik wurde dem VEB Mibella Böhlitz-Ehrenberg angegliedert, ebenso die in der Körnerstraße befindliche Tischlerei von Joachim Härings Eltern, welche mit der Familie Ramthor befreundet waren. Mit dem Mibella-Chef hingegen wurde Frau Ramthor nicht warm, sie quittierte ihren Dienst und ging als Sekretärin eines Professors an die Tierklinik.
Mibella bekam einen Auftrag des westdeutschen Versandhauses Neckermann und stellte für diesen u.a. Kinderzimmermöbel her, speziell die Liegen (aus Holz + Matratzen). Schließlich wurde die Mölkauer Matratzenfabrik innerhalb der Mibella-Strukturen zur Außenstelle der Tischlerei Häring aus der Südvorstadt. Als alles richtig gut lief, kam die Wende – und der Neckermann-Auftrag ging flöten.
Nach der Wende kaufte Joachim Häring Frau Ramthor die alte Fabrik ab und richtete die bestehenden Notwohnungen über den Produktionsräumen für sich und seinen Sohn, der unten nach wie vor dem Tischlerhandwerk nachgeht, her. Aus dem Flachbau hinter der Matratzenfabrik stammte übrigens der Mölkauer Senf; dessen Produktionsstätte gehörte zur Stadtkellerei Leipzig, bereits vor 1990 jedoch übernahm der VEB Mibella Grundstück und Gebäude.
Nachtrag (A.H.): Im Adressbuch Leipzig von 1922 taucht Alfred Hüttner, Patentmatratzenfabrik, erstmals mit der Adresse Plösner Weg 16 (Hinterhaus) auf, das ist die späte Rackwitzer Straße evtl. mit anderer Nummer. 1923 selbe Adresse. 1924 wird nur eine Privatadresse erwähnt. 1925/26 gibt es einen Alfred Hüttner, Matratzen, in der Kirchstraße 58 (heutige Hermann-Liebmann-Straße). 1927-1932 lesen wir wieder Alfred Hüttner, Matratzen, allerdings in der Moltkestraße 84 (heutige Alfred-Kästner-Straße). Diese Adresse gilt für das Geschäft oder Fabrikation, seine Wohnung wechselte Herr Hüttner in der Zeit öfters. 1933-35 wurden die Matratzen in der Torgauer Straße 80 gefertigt. Erst ab 1935/36 (siehe Zitat am Anfang des Textes) findet sich dann die Adresse Mölkau, Stötteritzer Straße 53 (zeitweise Otto-Pusch-Straße, heute Albrechtshainer Straße).
siehe auch unsere Beiträge „Als wir (italienisch) träumten“ vom November 2015 und „Mölkauer Senf“ vom August 2016