Der Robert-Koch-Park im Grenzgebiet von Kleinzschocher und Grünau ist einen Entdeckungsbesuch wert. Weil viele ihn für reines Klinikgelände halten, wird er wenig frequentiert. Dabei ist er seit 1982 öffentlich zugänglich! Von der Nikolai-Rumjanzew-Straße aus wirkt alles offiziell, vom Eingang Schönauer Straße aus schon weniger, hier seid Ihr in Sekunden am Parkschloss, der riesigen Villa, in der die Familie des Landmaschinenfabrikanten Paul Sack (später BBG*, Karl-Heine-Straße) einst wohnte. Paul Sack (1863-1923) war der Sohn von Firmengründer Rudolph Sack** und ließ den Park in den Jahren 1910-13 anlegen und bebauen. Ein Stein nahe des Schlosses erinnert an ihn und seine Frau Helene Maria Laura Sack (1871-1923).
Als wir uns im Eingangsbereich der Klinik bei einem Wachmann nach dem Standort der Villa Sack erkundigen (denn auch wir sind noch nie hier gewesen), erfahren wir, dass dort unlängst fürs Fernsehen gedreht wurde – SoKo Leipzig. Weiterhin erklärt uns der freundliche Kollege, dass das imposante Gebäude links der Allee – wir kamen beim ersten Abstecher von der Nikolai-Rumjanzew-Straße – die Chefarztvilla ist. In ihr wird augenblicklich gebohrt und gehämmert, es stehen Bauzäune drumherum. Nähert man sich dem Gebäude von hinten, wird einem eine Park-im-Park-Anlage mit zwei hölzernen Kaffee-und-Kuchen-Pavillons vor Augen geführt. Toll!
Architekten des alten Ensembles waren die Leipziger Meister Schmidt & Johlige, denen unsere Stadt bedeutende Bauten wie die Commerzbank an der Thomaskirche (Kaufhaus Ebert), Zills Tunnel oder den Felsenkeller zu verdanken hat (siehe u.a. leipzig-lexikon.de). Arthur Johlige (1857-1937) hatte als Schwiegersohn von Rudolph Sack und Schwager von Paul Sack seinerzeit wahrscheinlich wenig Mühe, gemeinsam mit seinem Kompagnon August Hermann Schmidt (1858-1942) an den Auftrag zu gelangen.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Nachfahren Paul Sacks enteignet, seit 1948 befindet sich ihr ehemaliges Anwesen in medizinischer Nutzung, mit dem Schwerpunkt Luft/Lunge. Die Robert-Koch-Klinik gehört heute zum städtischen Gesundheitsunternehmen St. Georg.
Der Park birgt neben den alten und neuen Gebäuden zur Patientenbetreuung eine Unzahl riesiger Bäume und Gebüsche, einsame Pfade, gesperrte Brücken sowie Kunstwerke verschiedener Bildhauer. Die stehen auf einmal auf der Wiese, vor der Mauer oder unvermittelt am Wegesrand, wie das originelle Auto mit Fahrer und Beifahrerin. Insgesamt macht die Anlage einen naturbelassenen Eindruck, was aber auch seine guten Seiten hat, denn nur so können wir uns hier wie Entdecker fühlen.
Literatur: „Leipzigs Grün“ von Petra Mewes und Peter Benecken, Passage-Verlag
* siehe auch unseren Beitrag „Sacks BBG-Jahrtausendfeld“ (August 2017)
** siehe auch unseren Beitrag „Zu Besuch bei Rüdiger“ (Oktober 2016)
Nachtrag am 27.02.2020: „Stadt übernimmt Robert-Koch-Park“, überschreibt die LVZ heute einen halbseitigen Artikel. Er soll zu einem „Freizeit- und Bildungszentrum“ werden. „Acht leere Gebäude – darunter die prachtvolle Villa Sack – erhalten bald neue Nutzungen“, der Verein Haus Steinstraße aus der Südvorstadt mietet drei davon und zieht nach Grünau um. Das Klinikum St. Georg wird nun aus der Verantwortung entlassen, was dem 25 Hektar großen Park nur gut tun kann. Im Haus 2 eröffnet die Stadt Leipzig im April 2020 sogar einen Stützpunkt zur Parkpflege – Zeit wird’s!