Unlängst trafen wir Michael, der uns ein paar schöne historische Bilder der Plagwitzer Marien-Drogerie* zur Verfügung stellte und auch von einem bemerkenswerten Dienstboteneingang in der Reudnitzer Augustenstraße erzählte. Dort ist das Relief einer Hausangestellten (mit Schürze) über der Tür zu sehen. Als wir es fotografieren wollten, kamen wir über den Stephaniplatz auf die Augustenstraße zu und erblickten drei Häuser (Nr. 14-18) mit markanten Sgraffiti, u.a. Blumen, Früchte sowie eine Friedenstaube waren vor 90 Jahren kunstvoll in die Wände gekratzt worden.
Sofort kam uns das mit dem Regina-Kino (früher Schloßkeller-Lichtspiele**) verbundene Wohnhaus von 1935/36 vorne an der Dresdner Straße in den Sinn, auch dort zieren große Sgraffiti die Fassade; wir deuten sie als Sternzeichen und haben noch ein Foto von 2004, auf denen zwei von ihnen im unsanierten Zustand betrachtet werden können. Weiter um die Ecke geht’s in die Heinrichstraße und auch hier finden sich Sgraffiti-Motive über zwei Eingangstüren.
Doch damit nicht genug! Am Kindergarten im Täubchenweg zieht eine 1950er-Jahre-Kinderschar mutmaßlich das märchenhafte Rübchen aus der Erde – ebenfalls als Sgraffito. Und in der Lipsiusstraße gibt es weitere Kratzmuster zu sehen – reiche Auswahl also in Reudnitz!
Die alte Variante der aus dem Italien der Renaissancezeit stammenden Technik zum Verschönern von Gebäuden zeigt beispielhaft die neuere Meyervilla im Bachviertel (Käthe-Kollwitz- / Ecke Lassallestraße). Kurz unter deren Dach verläuft ein schwarzweißer Sgraffiti-Fries. Der Leipziger Architekt Max Pommer errichtete die Villa 1885/86 für den Verlagsbuchhändler und Stifter der Meyerschen Häuser***, Herrmann Julius Meyer, im Stile der Neorenaissance.
Übrigens zog Meyers Verlag, das Bibliographische Institut („Meyers Konversationslexikon“, „Brehms Tierleben“, Konrad Dudens „Orthographisches Wörterbuch“ u.v.a.), 1874 von Hildburghausen in das damals noch selbständige Reudnitz!
* siehe unseren Beitrag „Marien-Drogerie Plagwitz“ (März 2017)
** siehe den Eintrag zum Regina-Palast auf www.allekinos.com
*** siehe unseren Beitrag „Von Posadowsky bis Meyer“ (Juni 2024)
Zum Thema Sgraffiti empfehlen wir außerdem unsere Beiträge „Vier Jahreszeiten in Sellerhausen“ (März 2023), „Die Kinder aus der Knöflerstraße“ (Oktober 2022), „Sgraffiti in Leutzsch“ (März 2024) und „Sgraffiti in Taucha“ (April 2023) sowie den Wikipedia-Eintrag „Sgraffito“
Nachtrag: An der Augustenstraße 14 ist das uns inzwischen bekannte und in Leipzig mehrfach präsente Kürzel Mö (für Mönkemeyer) zu erkennen.