In Reudnitz und Umgebung ist nicht nur der D.D.R.-bekannte Hulk unterwegs, sondern beispielsweise auch die Stadtteilexpedition von Antje und Diana. Die beiden Frauen luden letzten Sonntag zum Tauschcafé in den Fischladen, Dresdner Straße 49. Getauscht wurden Kaffee und Kuchen gegen Informationen, Erinnerungen und kleine Geschichten. Präsentiert werden letztere bei der Expedition am heutigen Sonnabend, einmal ab 13 Uhr, das zweite Mal ab 17 Uhr. Treff- und Ausgangspunkt ist der erwähnte Fischladen.
Und der wird im Augenblick in eine Bar umgestaltet. Wann die eröffnet, hängt von ein paar städtischen Genehmigungen (u.a. für den Brandschutz) ab. Mitinitiator Valentin konnte sich da nicht genau festlegen. Wir hatten ihm ein Bild aus den Achtzigern mitgebracht, auf dem das Geschäft äußerst geschlossen wirkt. Gemeinsam mutmaßten wir, dass es in den Neunzigern renoviert worden und als Fischladen (im engeren Sinne des Wortes) wieder in Betrieb gewesen sein muss.
Außerdem dabei hatten wir ein Foto, welches das Kaffeehaus Pilz und im Hintergrund das Kaufhaus Aufbau zeigt. Heute heißt das Lokal „Restaurant Art-Café am Kino“ und präsentiert sich anstelle des alten, recht kleinen Kaufhauses die Sparkasse in einem ziemlich großen Nachwendeneubau. Das Café Petit in der Dresdner Straße 27 (Nähe Fahrrad-Preisser) hingegen ist spurlos einer verbreiterten Straßen- bzw. Kreuzungsführung gewichen.
Über solche und ähnliche Gegebenheiten tauschte sich im Fischladen eine Runde von Jugendlichen bis hin zu Rentnern aus. Mittendrin: Antje (ursprünglich aus Bremen) und Diana (vor Jahren aus Stuttgart hierher gekommen), die ihre Leipziger Stadtteilexpeditionen vor nicht allzu langer Zeit aus sympathischer Neugier starteten, einfach weil sie von einigen Vierteln keine Ahnung, kein Bild vor Augen hatten.
Für die Beiden und alle anderen Interessierten gibt’s jetzt noch ein bisschen Futter aus Otto Mosers „Chronik von Reudnitz“, erschienen 1890 im Verlag von Max Hoffmann in Reudnitz:
„In die letzte Zeit der patriarchalischen Verhältnisse, wie sie früher den Dorfschaften innewohnten, fällt eine Verordnung der königlichen Kreisdirection, vom 31. Mai 1839, in welcher den Gemeinden Reudnitz, Anger und Crottendorf die Alternative gestellt wurde, entweder einzelne abgeschlossene Flurbezirke zu constituiren, oder sich insgesammt zu einer einzigen Gemeinde zu vereinigen. Die Gemeinden überlegten lange, was hier zu thun sei, und erklärten schließlich, sie wollten in getrennten Gemeindeverhältnissen fortbestehen, und jede einen besondern Flurbezirk bilden.“
„Im Jahre 1855 war bereits ein Antrag gestellt worden, unter dem Namen Neu-Reudnitz eine besondere Gemeinde von Reudnitz abzuzweigen, der nach langen Verhandlungen erst 1864 durchging. Schon damals wurde Reudnitz als die größte Landgemeinde Sachsens bezeichnet.“
„Die Criminaljustiz hat nur einmal einen Reudnitzer zum Tode verurtheilt. Es war der Häusler Hans Richter, welcher am 4. April 1623 wegen Diebstahls geköpft wurde.“
www.leipziger-stadtteilexpeditionen.de
Dunkel. Dreckig. Reudnitz. (= D.D.R.)
Nachtrag 1: Gegen im Internet erhobene Vorwürfe, der Fischladen in der Dresdner Straße hätte den Namen Fischladen geklaut, wollen wir Christoph und Valentin in Schutz nehmen. Es gab erstens in der Vergangenheit nicht nur einen Fischladen in Leipzig, und zweitens ist der Name Fischladen keine originelle Eigenkreation, sondern ein aus dem Alltagsgeschehen übernommener Begriff, wie Lebensmittel- oder Getränkeladen, Eisdiele oder Fleischerei.
Nachtrag 2: Am 25. März 2016 hat der Fischladen als Bar eröffnet.