Der erfreulich aktive Geheimtipp-Leser Tom lässt uns an seinen Erinnerungen teilhaben, speziell an die an seine Zeit im Mockauer Süden. „Es gibt zum Thema Alte Werbung / Alte Ladengeschäfte genau da ein Objekt“, schreibt er. „Ich fahr dort öfter vorbei, aber es ist mir nie gelungen, es zu fotografieren.“ Worum handelt es sich? Von der Volbedingstraße kommend, biegt man in die Schneiderstraße ein und sieht nach dem Eishaus auf der linken Seite über einem Eingang den Namen Rainer Welsch.
„Dessen Fleischerei war zu DDR-Zeiten extrem gut im Geschäft – logisch, Wollkämmerei vis-à-vis – und auch qualitativ in Ordnung. So circa ’87 schloss der Laden zum Um- und Ausbau und eröffnete wieder in neuem, vermutlich großteils aus dem NSW bezogenen Glanz. Top! Nach der Wende war aber recht schnell Schluss. Den Zeitpunkt kann ich nicht näher benennen, ich wohnte dann nicht mehr dort. Genau gegenüber befand sich eine kleine, aber sehr feine Bäckerei. Ebenfalls top! Die wurde wohl aus Altersgründen geschlossen. Und das Ding mit der bunten Fassade, die Weinhandlung an der Ecke von Mockauer und Grunertstraße, kennt ihr sicher? Das war zu DDR-Zeiten ein Kosmetik-Salon.“
Die kennen wir leider alle nicht, haben allerdings zum Glück vor fünf Jahren die Bäckerei George noch mit Werbung abgelichtet und vorn im Eishaus Eis gegessen. Dafür ist uns die nahe Bäckerei Hantschke, die über eine ziemlich ähnliche Außenwerbung verfügt, inzwischen ein Begriff, siehe unseren Beitrag „Mürbchen, Mürbchen, Mürbchen!“ (Oktober 2019). Über Hantschkes Laden – wir schweifen kurz ab – weiß unser Historiker Andreas Bescheid: Hier in der Mockauer Straße 25 existiere wahrscheinlich seit der Errichtung des Hauses vor 1909 eine Bäckerei. Zuerst hieß deren Chef Richard Schulze, der die Verantwortung 1937 an Walter Schulze übertrug. Jener ließ sich kriegsbedingt eine Zeitlang von Oskar Klömich vertreten und wurde Anfang der 1950er Jahre von Gertrud Schulze abgelöst. Auf die folgte 1955 Erich Tauche, und seit 1969 schließlich prangt der Name Hantschke über dem Schaufenster.
Und nun wird’s kriminell! Tom hat die Ecke von Schneider- und Grunertstraße als Zweigstelle der Leipziger Sparkasse im Gedächtnis. Und genau diese Filiale erlebte im Sommer oder Spätsommer 1990 einen vermutlich gescheiterten Überfall mit Schusswaffeneinsatz. Ein mit Tom befreundetes Pärchen wohnte genau über dem Geldinstitut, ein Schuss in die Decke der Sparkasse verfing sich im mit Schlacke verfüllten Boden des Wohnzimmers …
NSW = Nichtsozialistisches Wirtschaftsgebiet, also der Westen
Herzlichen Dank an Tom, Andreas sowie Ramona, die uns auf Facebook darüber informierte, dass der oben genannte Kosmetiksalon damals zur PGH Fasson gehörte.
Zugabe aus Thekla, ebenfalls von Tom: „Mit 18, 19 war ich in der Kaufhalle Thekla beschäftigt. Was mich nicht beschäftigte – die Tageseinnahmen mussten ja irgendwie raus aus der Halle und zur Bank. Bis es mich mal betraf: ‚Tom, du fährst ma mit geld wegschaffen.‘ ‚??‘ ‚ … Fahrer ist gleich da.“ Also bekam ich einen Geldsack der Staatsbank der DDR in die Hand, prall gefüllt und hart wie ein Ziegelstein und auch nur wenig größer. 70.000 Mark. Zum Fahrer in den Moskwitsch und ab nach Portitz, kleine HO-Verkaufsstelle, nochmal circa 10.000 Mark. Es ging Richtung Ernst-Thälmann-Straße (heute: Eisenbahnstraße) zur Staatsbank der DDR mit ‚Nachtklappe‘.
Ich grinse den Fahrer an und sage: ‚Jetzt könnten wir uns doch verdrücken, oder? 80.000 Mark …“ Jugendlicher Leichtsinn, schon die nicht ganz ernst gemeinte Frage hätte im Zweifel Knast bedeuten können. Da sagt der Fahrer schulterzuckend: ‚Wo willste denn mit dem Zeuch hin? Vielleicht ’n Jahr zu den Tschechen oder nach Ungarn? Und dann zehn Jahre Bau.‘ Die Nachtklappe funktionierte. Kohle rein, Klappe hoch, Klappe wieder auf, leer, wieder hoch, zu.“ Super, Tom! Glück gehabt! Danke!!!
Ein Gedanke zu Mockau-Süd und Mockau-Nord (von Tom): „Es gab zu den schlechten alten Zeiten drei Mockau-Bezeichnungen: Mockau (allgemein), Mockau-Ost (Post geradezu) und Mockau-West (Rosenowstraße), letzgenannte waren die damaligen Neubaugebiete. Die Wende hatte die Kraft, Himmelsrichtungen zu ändern; München war früher Westen, heute Süden, Hamburg, früher ebenfalls Westen, jetzt Norden.“