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Helmut Schreibers Leipzig-Film

Helmut Schreibers Leipzig-Film

Im August vergangenen Jahres suchte Jens Rübner auf Geheimtipp Leipzig nach „Schreibers verschwundenem Film“. Mittlerweile darf unser Mitstreiter den Streifen zur privaten Nutzung sein eigen nennen. Wer ebenfalls Interesse daran hat, sollte über www.defa-filmfreund.de Kontakt aufnehmen. Hier ist sein Bericht, an dessen Ende zwei Zitate stehen, eins von der Cutterin, das andere von Schreibers Sohn Richard. Besten Dank an Jens!

(J.R.) Der Dokumentarfilm „Leipzig, nicht nur eine Messe wert“ wurde 1974 vom Schauspieler Helmut Schreiber (1925-1995) gedreht und sollte der Stadt Leipzig ein Denkmal setzen. Die ersten Recherchen zum Verbleib des Films meinerseits begannen im Juni 2012. Die Auskunft vom Sächsischen Staatsarchiv lautete sinngemäß: Zu dem angefragten Filmtitel sind circa 130 Rollen 35-mm-Material in rund zehn Sprachen überliefert. Wie lang die Be- und Überarbeitung des Materials dauern wird, ist nicht genau sagen, denn wir alle wollen doch die brauchbarste Fassung ermitteln …

Später erfuhr ich, dass DEFA-Schnittmeisterin Brigitte Krex (*1938) den Film geschnitten hatte. Mir gelang es, mit ihr in Kontakt zu treten. Ihre Erinnerungen an die Schwierigkeiten der Herstellung möchte ich im Folgenden wiedergeben. Sie bekam von Regisseur Schreiber eine Unmenge von Material zur Verfügung gestellt. Die Montage eines Dokumentarfilms ist anderen Gesetzen unterworfen als ein Spielfilm, folgt er doch im eigentlichen Sinne keinem Drehbuch, sondern nur einem losen Konzept. Die Aufnahmen vieler Eisenbahnschienen z.B. sollten versinnbildlichen, dass viele Wege nach Leipzig führen. Letztendlich entstand ein Film, der zeigte, was Leipzig zu bieten hat, sei es in künstlerischer, wirtschaftlicher sowie historischer Hinsicht. Beeindruckend ist das Konzert mit Kurt Masur. Er dirigiert den ersten Satz der Italienischen Symphonie von Felix Mendelssohn Bartholdy. Das war für Brigitte Krex schwer zu schneiden, da bei der Aufnahme kein Playback vorhanden war und Masur die Aufnahmen ohne Wiederholung eingespielt hatte.

Weiter zeigt der Film die jährlich stattfindende Landesgartenschau agra in Markkleeberg und den Leipziger Zoo mit seinen Sehenswürdigkeiten. Er erzählt vom Aufenthalt Johann Wolfgang von Goethes und die damit verbundene Geschichte von Auerbachs Keller. Besonders interessant sind heute die Aufnahmen des ehemals berühmten Brühls. Zu der Zeit, als der Film gedreht wurde, galt der Rauchwarenhandel in Leipzig als wichtiger Wirtschaftsfaktor. Die Pelze spielten auch eine große Rolle auf der Leipziger Messe, die im Film einen breiten Raum einnimmt. Der Film, den Helmut Schreiber über seine langjährige Heimatstadt gedreht hat, ist eine Hommage. Den Kommentar sprach er selbst, für die Musik engagierte er den Komponisten Karl-Ernst Sasse (1923-2006). Als siebenjähriger Knirps wirkte auch Schreibers Sohn Richard mit. Der wurde 1967 in Leipzig geboren und studierte später Germanistik, Geschichte und Philosophie.

Brigitte Krex: „Lieber Herr Rübner, danke noch einmal für den Film. Inzwischen habe ich ihn mir angesehen. Bin ganz erstaunt, wie ich ihn heute wahrgenommen habe. Ich hatte in Erinnerung, dass viel mehr von Leipzig zu sehen war. Stattdessen viel Arbeiter und Demonstrationen. Heute empfinde ich ihn als reinen Propagandafilm. So hat sich die Wahrnehmung in den fast 50 Jahren verändert. In dieser Form hätte ich  den Film heute niemals geschnitten. Man sieht so wenig von der Stadt. Aber bestimmt hat Helmut Schreiber seinerzeit darauf verzichtet, zu viel Stadt zu zeigen, weil die Häuser damals in einem echt beklagenswerten Zustand waren. Der kleine Junge, der dirigiert, war sein Sohn. Aber sehr schön, den Film zu haben. Ich werde demnächst einen Filmabend machen und ihn meinen Freunden zeigen.“

Richard Schreiber: „Ich muss gestehen, dass ich vom Film sehr enttäuscht war, sicherlich auch deshalb, weil die dominierende sozialistische Propaganda …  jegliches schöne Attribut des Films, – Stadt, Menschen, Stadtkern von Leipzig u.s.w. gleich nivelliert. Der Film wäre kein Kassenschlager geworden. Dennoch hat mein Vater versucht, zu den damaligen Bedingungen das Beste aus der Produktion herauszuholen. Wir dürfen ja nicht in Abrede stellen, der Film wurde 1972 produziert. Dennoch, freue ich mich, diesen Film nach so langer Zeit gesehen zu haben, auch um die eigne Vergangenheit besser zu verstehen, einzuordnen und meine persönlichen Schlüsse daraus zu ziehen.“

Das Aufmacherbild dieses Beitrags, aktuelle Leipziger Sehenswürdigkeiten, haben wir in der Mockauer Straße fotografiert.