Sehr aufmerksam, sehr liebevoll und sehr ausführlich widmen sich Horst Siegemund und der Bürgerverein Leutzsch ihrem Stadtteil. Auf über 200 Seiten geht es in der Online-Veröffentlichung „Blicke auf Leutzsch“ ganz lokal um die Industrie, den Wohnungsbau vor allem in den 1920er Jahren, das Villenviertel, den Wandel nach 1945, die alte Dorflage, die Kleingärten, den Auewald und außerdem spazierend durch die beiden großen Straßen, die William-Zipperer- und die Georg-Schwarz-Straße.
Immer wieder führt der Autor dabei Interviews mit alten Leutzscherinnen und Leutzschern. So kommen interessante Erinnerungen ans Tageslicht, z.B. dass die „Burg“ in der Karl-Schurz-Straße nach dem Zweiten Weltkrieg von einer Kinderlandorganisation genutzt wurde. „Die haben mit den Kindern Kreisspiele gemacht und uns versorgt, zum Beispiel ein Glas Milch; das war direkt nach dem Krieg. Und da haben wir Kinder uns aufgehalten und gespielt. Das war für uns ganz toll, weil das eben so romantisch war.“
Horst Siegemund schreibt weiter, dass das „einer Burg ähnelnde Gebäude … wahrscheinlich von Ludwig Hahn für eine Studentenverbindung erbaut“ worden war und zunächst zu dessen Villa in der Rathenaustraße 17a gehörte. Franz Flemming wiederum hatte gegenüber der Firma vier Wohnhäuser für seine Arbeiter und Arbeiterinnen und eines für die sogenannte Beamtenschaft (leitende Angestellte) errichten lassen, es handelt sich um die heutige Franz-Flemming-Straße 58-68.
„Gegenüber der Kirche“, so lesen wir, „steht das alte Kantorat, das von seinem Neubesitzer seit Jahren liebevoll restauriert wird. In dem Gebäude wohnte der Kantor, der früher auch gleichzeitig Lehrer war. Im Untergeschoss gab es darum zwei Unterrichtsräume. So erklärt sich die wechselnde Bezeichnung ‚Kantorat‘ – ‚Schule von Leutzsch‘.“
Wir sehen schöne alte Fotos der einstigen Dorflage am Wasserschloss, werden auf die Wohnanlagen mit „Siedlungscharakter“ u.a. in der Heimteich-, Gauß- und Hellerstraße hingewiesen sowie auf das Eckhaus William-Zipperer-Straße 83, welches sich „durch ein besonderes Dekor auszeichnet, das oft übersehen wird: Vom Erdgeschoss bis zum Giebel wächst ein Baum in die Höhe und umrankt die Fenster. Es handelt sich um eine Kastanie; weiter oben sind die Blütenstände zu erkennen. Wer so die Augen hebt, sieht ebenfalls einen neobarocken Giebel mit einem Adler. Wollte der Besitzer mit diesem Gebäude den Beginn des Dorfes Leutzsch markieren?“
Das alles und noch viel mehr inklusive zahlreicher historischer und aktueller Abbildungen findet Ihr in „Blicke auf Leutzsch“, die im Januar 2022 erstmals erschienen sind und jetzt in der Fassung vom Juni 2023 kostenlos heruntergeladen werden können.
siehe auch unsere Beiträge „Leutzscher Industriegeschichte“ (Oktober 2023) und „Auf dem Leutzscher Friedhof“ (September 2023)