Mit „Leipzigs Wasserpionier“ überschrieb Friedrich Hofmann seinen bemerkenswerten Beitrag über Karl Heine, erschienen im Jahre 1864 in der von Ernst Keil in Leipzig verlegten Zeitschrift „Die Gartenlaube“ (Illustriertes Familienblatt). Wir veröffentlichen diesen recht ausführlichen Artikel in zwei Teilen neu.
Originaltext: „In der großen Seestadt Leipzig -“ so beginnt ein altes Scherzlied, welches ohne Zweifel die ausgedehnten Sümpfe verherrlichte, mittels deren es einst Leipzigs schöner Gegend gelungen war, hier Osten und Westen unnahbar zu trennen. Es gehörte der hohe Dammbau der Leipzig-Lindenauer Chaussee dazu, um die deutschen Brüder diesseits und jenseits der Sümpfe zueinander zu bringen. Und wenn die drei Ströme dieser Ebene, die tückische Elster, die verdächtige Pleiße und die gemüthliche Parthe den ihnen eigenthümlichen Uebermut des Ueberflusses entwickelten, so mochte Leipzig zu einer temporären Seestadt wohl Wasser genug haben, aber weiter nichts.
Anders ist es heute, ja gerade umgekehrt. Die ehemalige Macht der Ueberschwemmungen ist gebrochen, üppiges Wiesengrün wurde Herr über die Sumpflachen, der prahlerische Spiegel weiter Wasserflächen heuchelt kein Seebild mehr in die Ebene der Weltschlachten, – aber ein viel überraschenderes Wunder fesselt Dich, reisender Mann, der Du von Lindenau des hohen Weges her Dich der alten Stadt der Messen, Buchhändler und Lerchen nahest: der schrille Pfiff der Dampfpfeife schreit, Du blickst hinüber zur Rechten, und Du traust Deinen Augen kaum – ein Dampfschiff fährt zwischen dem grünen Meer der Wiesen dahin! Es ist wahrhaftig so! Die Dampfsäule steigt auf und legt sich zwischen die Erlen, Hainbuchen und Eichen, welche den Weg des Schiffs beschatten, und auch die Schiffsglocke ertönt – eine andere Dampfsäule kommt dieser von der Stadt her entgegen, Wimpel flattern, es kracht der Böller – Dein letzter Zweifel schwindet, und Du eilst in die neue Seestadt, um mit eigenen Augen zu sehen, welch Leben sich in ihrem Hafen entwickelt.
Eile nur, Du bist gerade zurecht gekommen – zum denkwürdigen 25. Juni 1864, dem Feste der Einweihung eines Canals, welcher die Elster mit der Pleiße verbindet und einen directen Schifffahrtsverkehr zwischen den Bahnhöfen der Stadt und dem großen Canal ermöglichen soll, der einst die Gewässer Leipzigs mit der Saale verbinden wird. – Wir begeben uns zum ehemaligen durch die Messen weltbekannt gewordenen Gerhard’s Garten. Dort sehen wir deutsche, sächsische, leipziger und schleswig-holsteinische Fahnen von Gebäuden und Bäumen lang herabwallen, Dampf qualmt auf, und vieler Menschen Stimmen murmeln und schreien durcheinander. Dort ist der Hafen; aber sie bauen ihn erst; auf schwankem Stege überschreiten wir die Pleiße, vor uns dringt der neue Canal in Gerhards Garten hinein, und jenseits drängen Hunderte von Männern durcheinander, trotz des beginnenden Regens Alle mit frohen Festgesichtern, aus denen der Stolz strahlt, Zeugen der Krönung eines gelungenen schweren Werkes und Gäste eines Mannes zu sein, der die Krone des Tages trägt.
Da steht er, der Doctor Carl Heine, jener „Leipziger Bürger“, welchem die Gartenlaube schon 1856 ein Denkmal der Anerkennung in ihren Spalten setzte. Carl Heine gehört zu den thatkräftigen Geistern unserer Nation, aber nicht zu denen, welche fruchtverheißende Gedanken über weite Länder ausstreuen und ganze Völker fernen Zielen entgegenführen, sondern zu den energisch=praktischen, welche auf beschränktem Gebiete Großes leisten, ihre engste Heimath zu ihrem Wirkensfelde ausersehen und hier die widerstrebende Natur mit dem Aufwande aller Kraft zwingen, eine andere Gestalt anzunehmen und die Mittel, die sie bisher zum Schaden für Tausende in Ueberfluß hatte, in den Nutzen für Hunderttausende zu verwenden. Darin besteht die Größe des Mannes, in ihr ist er ein Muster deutscher Bürgertugend und darum ein würdiger Gegenstand nochmaliger Besprechung in diesem Weltblatte.
(wird fortgesetzt)
siehe zu Karl Heine auch unseren Beitrag „Wasserwandern in Leipzig III“ (August 2014)