Historie

In der MoMa entdeckt

In der MoMa entdeckt

Tante Ursula hat schon immer gebastelt, gestrickt und eingekocht. Als sie vor Jahren in eine neue Wohnung zog, räumte sie wie bei solchen Anlässen allgemein üblich auf und sortierte aus. Unter anderem sollten Zeitschriften in den Müll fliegen – Guter Rat, Frösi und Modische Maschen aus den 1960ern und 70ern. Der Neffe, zufällig anwesend, erhob Einspruch und nahm das Altpapier an sich. Als Kind und Jugendlicher wäre er an diesen Titeln nicht interessiert gewesen, doch die Situation hatte sich geändert.

Drei, vier Meerschwein-Generationen später räumte jener Neffe nicht unbedingt auf, aber um und bekam die Großformate (meist aus dem Leipziger Verlag für die Frau) erneut in die Hand. Was da zu entdecken war! Werbung von Konsument* und Centrum**, vom VEB Elguwa und dem VEB Technochemie sowie eine mit Strickmodefotos bebilderte Reportage über das Leben in Leipzig von 1972. Stark!

„Abends in Leipzig“ ist ein Teil dieser Reportage überschrieben, empfohlen werden das Kellertheater im Opernhaus, die Leipzig-Information am Sachsenplatz oder das Kabarett Pfeffermühle („Dort wird viel gelacht oder nachdenklich geschmunzelt, wenn die Pfeffermüller … mit scharfgewürzten Pointen aufzeigen, was nicht so ist, wie es sein sollte“), weiterhin auch das Gewandhausorchester (damals in der Kongresshalle), das Gohliser Schlösschen (damals mit Bach-Archiv) und die Alte Börse am Naschmarkt.

Außerdem wird eine Studentin in Strickklamotten im Wohnheim „Jenny Marx“ (Goethestraße, dort sitzt heute das Studentenwerk) gezeigt sowie der im Bau befindliche Uni-Riese, überhaupt Leipzig als Universitäts- und Buchstadt vorgestellt. Alles 1972. Die Modischen Maschen 3/1968 wiederum widmen sich dem „neuen ‚konsument‘-Warenhaus … das im Blickpunkt des Straßenbildes am Brühl steht“, wir lernen – auf Modefotos! – die BGL-Vorsitzende*** Renate Gottschlich kennen.

Auf der vorletzten MoMa-Seite wirbt das neue Kaufhaus mit folgenden Worten für (s)einen Besuch: „Im größten und modernsten ‚konsument‘ Warenhaus unserer Republik erwartet Sie auf 11000 m2 Verkaufsfläche nicht nur ein lückenloses Angebot hochwertiger und gebrauchstüchtiger Waren; – konsument AM BRÜHL – ist auch das Haus für modernen Handel im Dienste des Kunden. Unsere erfahrenen Mitarbeiter gestalten Ihren Einkauf rationell, zeitsparend und angenehm. Mit 80 Kundendiensten und Dienstleistungen sorgen wir für größere Erleichterungen und besten Service bei Bestellungen, bei der Auswahl und beim Kauf. Darüber hinaus steht Ihnen bei individuellen Wünschen und Anliegen unser Fachpersonal jederzeit helfend und beratend zur Seite.“

* Konsument am Brühl = heute Teil der Höfe am Brühl
** Centrum-Warenhaus = heute Karstadt (Petersstraße/Neumarkt)
*** BGL = Betriebsgewerkschaftsleitung