Während uns Sebastian Ringel „Glücksorte in Leipzig“ (Droste Verlag) zeigt, nimmt uns Ralph Grüneberger mit in Tankstellen, Kaufhäuser und Straßenbahnen. In seinen „Leipziger Geschichten“ (Gmeiner Verlag) spielen Hausmeister, Verkäuferinnen und Zeitungsausträger Hauptrollen, wird Alltag zu Literatur. „Ich laufe am liebsten“, lässt der Schriftsteller eine seiner Figuren sagen. „Das Zufußgehen ist meines Erachtens die beste Gangart für das Dichten. Gehen ist Sehen, denke nur an den Spaziergänger gen Syrakus. Gehen ist Rhythmus und Rhythmus ist Lyrik. Du siehst etwas, siehst es auf dich zukommen. Baukörper fallen einem auf, Bauweisen. Eine Farbe wird eine Form, ein Gegenstand. Das gilt auch für Kleidung. Du entdeckst den Menschen darin.“
Im Buch geraten wir an bekannte Orte – das Café Grundmann („im Art-Déco-Stil eingerichtetes Café im Süden der Stadt“), den Hauptbahnhof, die Nikolairche, aber auch in nachtgraue Parkanlagen und Hinterhöfe. Zur Abwehr von Fahrraddieben lassen Sophie und Tom die Luft aus den Reifen und nehmen die Ventile mit. „Die Methode hilft – bis jetzt jedenfalls. Ich muss zwar jedes Mal Luft aufpumpen, aber zur Polizei und Versicherung rennen, das ist anstrengender und vor allem viel nerviger. Und bringt das Rad auch nicht zurück.“ Ralph Grüneberger lebt mittendrin, beobachtet und nimmt teil. Am 3. Oktober ab 15.30 Uhr liest er im Zeitgeschichtlichen Forum in der Grimmaischen Straße aus seinen „Leipziger Geschichten“.
Auch Sebastian Ringel läuft viel durch unsere Stadt – er ist Stadtführer und veröffentlicht nebenbei dazu passende Bücher. In der Böhlitz-Ehrenberger Bibliothek fielen uns seine „Glücksorte in Leipzig“ in die Hände, gleich beim ersten Blättern fühlten wir uns an unsere eigenen „Geheimtipps“ erinnert. Ringel, der u.a. an „100 Orte – Heute sind da Häuser“ mitgearbeitet hat (siehe unseren Beitrag „Vergessene Geschichten, verschwundene Orte“ vom Dezember 2017), bringt 80 Ziele für Stadtspaziergänge auf Papier. Dabei sind Parks, Kneipen und Türme, Gärten, Läden und Lost Places, beispielsweise der Schlosspark Lützschena, der Biergarten am Budde-Haus und die Kulturapotheke, aber auch der Kupfersaal, das verlassene Kursdorf und die Dölitzer Wassermühle.
Wusstet Ihr, dass der Turm des Neuen Rathauses mit 114,70 Metern der „höchste deutsche Rathausturm“ ist? Dass der Lene-Voigt-Park auch „Reudnitzer Central Park“ genannt werden kann? Dass die Garnproduktion in der Baumwollspinnerei 1993 eingestellt wurde? Dass Shady Nachtigall bedeutet und der gleichnamige Südvorstadtwirt wie Jesus aus Nazareth stammt? Dass die 1873 errichtete Villa Hasenholz anfänglich ein Wohnhaus gewesen ist? Und so weiter und so fort …