Einen Überraschungsfund überreichten uns die Eltern letztens, als wir sie in Grünau besuchten: Einen Stapel Leipziger Theaternachrichten aus den Jahren 1962 bis 1974. Wir kannten die Zeitung im A5-Format bis dahin nicht und freuten uns vor allem über die darin enthaltenen Anzeigen. Komisch: Alte Werbung ist toll, neue Werbung nervt, wahrscheinlich weil alte Werbung nichts mehr verkaufen kann.
„Musik durch die Post“ offeriert „Freunden der Tanzmusik“ da unter anderem ein Schallplatten-Versand aus der Wintergartenstraße 7. „Nicht Husten im Theater – nimm Krügerol“, rät als Alleinhersteller die Richard Krüger GmbH aus dem Leipziger Westen ebenfalls in einer Anzeige. Für uns erstaunlich ist das Angebot der Gebr. Kirchhof KG vom Dittrichring: „Für Auslandsfahrten beleuchtete Nationalitätenzeichen D“ – Beleuchtet! Wie funktionierte das denn? Mit kleinen Glühlampen drumherum? Wir kennen nur Aufkleber und Plasteschilder.
Doch kommen wir zur Kunst: Im ältesten Heft, der Nr. 11 aus der Saison 1962/63, sind als Spielstätten der Städtischen Theater das Opernhaus und das Schauspielhaus aufgeführt, weiterhin das Kleine Haus in der Dreilindenstraße 30/32 (später Muko) sowie die Kammerspiele in der Gottschedstraße 16 (später Neue Szene, Scala). Erwähnt in folgenden Ausgaben wird auch immer wieder das Theater der Jungen Welt (damals in der Kongresshalle zu Hause).
Im Frühjahr 1964 sind als nächste Premieren „Peer Gynt“, „Der Widerspenstigen Zähmung“ und „Biedermann und die Brandstifter“ angekündigt, außerdem „Carmina burana“ und „Der Barbier von Sevilla“. Wir lesen vom Bitterfelder Weg, auf welchem Berufskünstler Volkskünstler unterstützen, und dass Bühnenhandwerker („auch Frauen und ungelernte Kräfte“) dringend gesucht werden. So alt ist also der Fachkräftemangel …
Im Dezember 1964 läuft übrigens auch Humperdincks Märchenoper „Hänsel und Gretel“. Ein Jahr darauf ist in Frisco der Teufel los (Titel einer Operette von Guido Masanetz), der Schauspieler Günter Grabbert wird porträtiert und der Falstaff am Georgiring firmiert als ungarische Nationalgaststätte.
Weitere Annoncen preisen Pelze, Theatergläser und feinste Dauerbackwaren an, den Wermutwein Hornano, Blitz-Politur für Fußböden und Treppen sowie die Haarentfernungs-Creme Eva. Die Kaufhäuser tragen Namen wie Fortschritt (an der Thomaskirche, später Topas, heute Commerzbank) oder Warenhaus des Friedens (am Brühl, später Konsument, heute Teil der Höfe am Brühl), und eine Übersicht präsentiert den Feierfreudigen die Tanz- und Vergnügungsstätten der Messestadt.
Als verantwortliche Redakteurin finden wir Martina Aurich im Impressum, zweifarbig aufs Papier gebracht wurden die Leipziger Theaternachrichten über all die Jahre im VEB Kreisdruckerei Wurzen. +++ Und was fällt uns vor wenigen Tagen in der Ticket-Galerie in Barthels Hof ins Auge? Der Theater-Courier, offiziell für Sachsen gedacht, in Wirklichkeit für Dresden und Umgebung, aber immerhin ein Nachfolger.