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Gesucht wird Pawel Kröger

Neuigkeiten aus der Vergangenheit

Unterm Fußbodenbelag einer kleinen Villa in Böhlitz-Ehrenberg fand Schulfreund Sven lauter alte Zeitungen, LVZ, Wochenpost, Freie Welt – alle von 1970. Bei der vorletzten Renovierung wurden sie zwischen Dielen und Linoleum gelegt, sicherlich als Geräusch- und Wärmedämmer sowie für ein angenehmes Laufgefühl. Und wie alte Dokumente aus den Turmkugeln von Rathäusern oder Kirchen kamen sie nun relativ unversehrt wieder zum Vorschein, ein bisschen verstaubt und – da es im Haus mal einen Brand gegeben hat – brenzlig riechend.

Sven rief an und wir packten die Lose-Blätter-Sammlung ein, voller Freude auf Neuigkeiten aus der Vergangenheit, auf Anzeigen, Nachrichten und Kurioses von vor über 50 Jahren. Bleiben wir gleich kurios: In der LVZ vom 1. Februar 1970 lernen wir den damals elfjährigen Pawel Kröger kennen, der seit September 1969 an der Sektion Mathematik der Karl-Marx-Universität Leipzig studierte und ansonsten in eine 5. Klasse der Nikolai-Rumjanzew-Oberschule (Ratzelstraße) ging. Was ist wohl aus diesem Mathe-As geworden?

Die LVZ vom 2. März 1970 sprach unsere Messegäste an und empfahl ihnen, als Mitbringsel Bücher in Erwägung zu ziehen. Aufgeführt wurden sodann sämtliche Volksbuchhandlungen der Stadt, gegliedert nach Stadtzentrum, Norden, Süden, Osten und Westen – 26 Läden! Wir erinnern uns u.a. an das Franz-Mehring-Haus in der Goethestraße und die Hinrichs’sche Buchhandlung in der Mädlerpassage und kommen darüber zur Annonce für Räths Erdgloben. Die Paul Räth Nachf. KG aus der Raimundstraße 14 legte uns ihre Leucht-, Plast- und Himmels-(Sternen-)Globen ans Herz.

Es gab seinerzeit ein Konsument-Warenhaus in der Straße der Befreiung (Dresdner Straße), wir kennen es unter dem Namen Kaufhaus Aufbau. Der VVB TAKRAF residierte im Barfußgäßchen 12 und bot einen „full service“ für „Ausrüstungen von Häfen und Großlagerplätzen, Problemlösungen des innerbetrieblichen Transportes, Krane und Hebezeuge aller Art, Tagebauausrüstungen und Brikettfabriken“. Aus der Gaststätte Kaffeebaum verabschiedeten sich derweil „nach reichlich 40jähriger Tätigkeit … altershalber“ Karl Steudel und Frau. Das Lokal wurde von der HO-Gastronom übernommen.

Und ebendiese HO (Handelsorganisation) machte am 2. März 1970 auf ihre Frühlingspremiere aufmerksam – mit jugendlichen Blusen und Kleidern, Kunstlederjacken für Junioren, mit Damen-Strickkleidern und -Übergangsmänteln. Kaufinteressenten wurden auf das Jugendmodezentrum am Georgiring, die „Brigitt“ in der Nikolaistraße 55 und das Haus der Stoffe am Neumarkt 24 verwiesen, außerdem auf die Geschäfte Schuhhaus Elegant (Hainstraße 2), Necessaire Lederwarenfachfiliale (Hainstraße 10), Schuhsalon Ballerina (Messehofpassage) und Fachfiliale für Textilien (Pfeffingerstraße 18).

wird fortgesetzt mit dem Beitrag „Erstaunlich viele Kaufhäuser“ (März 2023)

Nachtrag zu Pawel Kröger: Günter, Wilkin und André schickten uns Informationen zum Frühstarter Pawel Kröger. Zunächst herzlichen Dank an alle drei! Günter Hempel erinnert sich: „Ich hatte in den Jahren 1967 bis ca. 1972 Kontakt mit ihm; wir sind zusammen mit noch anderen Schülern in Zirkeln und Sommer-Mathe-Lagern für die Matheolympiade trainiert worden. Wobei Pawel den Acht- bis Zwölfklässlern meist meilenweit voraus war und immer alles wusste …“

Wilkin Rohr schreibt: „Da ich vor vielen Jahren (etwa 1972) bei einer Mathematikolympiade zufällig Pawel Kröger begegnet bin, habe ich eben einmal kurz recherchiert …“ Gefunden hat er dabei u.a. eine Übersicht zu IMO*-Teilnehmern aus der Region Leipzig, zusammengestellt von Hans-Gert Gräbe. Dort erfahren wir über den Gesuchten, dass er 1977 sein Diplom bekam, 1979 in die BRD ausreiste, bis 1995 an der Uni Erlangen tätig war, dann 1995–98 in den USA und seit 1998 in Chile leben soll.

An der Universidad Tecnica Federico Santa Maria in Valparaíso, so André Börner, lehrte und forschte Pawel Kröger bis ca. 2017. In einer im Internet Archive einzusehenden Version der Homepage der dortigen Fakultät für Mathematik findet sich auch ein Foto des ehemaligen Leipzigers, das wohl um das Jahr 2000 entstanden sein muss – André hat es aufgestöbert. Tolle Sache!

* IMO = Internationale Mathematik-Olympiade