Ansehen Historie

Paris-Platte und Schweizer Degen

Vor kurzem kurvten wir nach Paunsdorf, um das Galerie-Restaurant Achilles (ehem. Böttgereck) in Augenschein zu nehmen. Warum? Weil wir zu Jahresbeginn das am Adler gelegene Café Elysee* für uns entdeckt und dort den Maler und Wirt Achilles Tampoulidis getroffen hatten. Sein Stammhaus ist das im äußeren Leipziger Osten. In beiden Lokalen findet sich viel Malerei im Stile der Franzosen des 19. Jahrhunderts und auf der Karte des Achilles die für ein griechisches Lokal ungewöhnlich benannte Paris-Platte. Mit dem nunmehrigen Drumherum-Wissen aber erschließt sich das.

Gegenüber des Restaurants zieht ein aufwändig gestalteter Hauseingang die Blicke auf sich. Wir hatten diesen bereits im März 2022 abgelichtet und auf unserer Facebook-Seite präsentiert. „Gott grüß die Kunst!“, ist oben im Bogen zu lesen und links und rechts der Tür setzt sich der Name Berthold zusammen. War dieses Gebäude an der Ecke von Böttger- und Riesaer Straße mal eine Schule oder eine Fabrik gewesen, fragten wir in die Runde und bekamen sehr interessante Antworten.

Norbert meinte: „Sieht mir ganz nach Schwarzer Kunst aus. Links Schriftsetzer (Bleigießer), rechts Papierpresse (Buchbinder)?“ Und in der Mitte, so deuten wir es, Johannes Gensfleisch, genannt Gutenberg, der Erfinder des Buchdrucks.**

Kathleen erklärte weiter: „‘Gott grüss die Kunst‘ ist der Gruss der Drucker, Setzer, Schriftgiesser, der Schweizer Degen, der ganzen Schwarzen Zunft. Ich selbst bin Buchhändler, habe das erst kürzlich gelernt. Sollte man in Leipzig eigentlich wissen …“ Wohl wahr! Was aber bedeutet in diesem Zusammenhang Schweizer Degen? Auf schweizerdegen.de lesen wir, dass so in vergangenen Zeiten Facharbeiter mit einer Doppelausbildung zum Setzer und Drucker bezeichnet wurden.

Außerdem lieferte Thomas Bau- und Stadtgeschichtliches: „In dem 1924/25 erbauten Gebäude befand sich die Berthold Messinglinienfabrik & Schriftgießerei – Abt. Böttger-Klinkhardt, vermutlich wurden dort die Drucktypen ‚Letter‘ gefertigt. Die Firma ist allerdings bedeutend älter. So lässt sich im 1880er Adressbuch von Paunsdorf schon der ‚Schriftgießerei-Besitzer‘ Gottfried Böttger finden, der offenbar mit seinen Söhnen oder Brüdern Ernst, Friedrich und Wilhelm den Betrieb am Laufen hielt. Die Schreibweise war seinerzeit noch ‘Böttcher‘. Die Paunsdorfer Böttgerstraße wurde übrigens nach … Gottfried Böttger (Böttcher) benannt.“

Schließlich ergänzte Julius: „1863 gründet Johann Gottfried Böttger in Paunsdorf bei Leipzig eine Schriftgießerei. Nach dem Tod des Gründers, 1875, wurde das Geschäft von den drei Söhnen weitergeführt. Im Jahre 1918 wird die Firma von der H. Berthold AG erworben und durch Zusammenlegung mit den Firmen Brockhaus, Rühl, Kahle, Kloberg und Klinkhardt, als Filiale Böttger-Klinkhardt weitergeführt.“ Die Quelle dafür war das klingspor-museum.de.

Alles geklärt! Herzlichen Dank an die vier Zitierten!

* siehe unseren Beitrag „Kaffeefahrt durch Leipzig VI“ (Januar 2023)
** Peter sieht links einen Schriftgießer und rechts einen Drucker – es bleibt bei Schwarzer Kunst!

Nachtrag am 16.12.2023: „Hallo liebes Geheimtipp-Team, ich las gerade euren Artikel ‚Paris-Platte und Schweizer Degen‘ im Geheimtipp und musste schmunzeln. Ich zitiere: ‚In beiden Lokalen findet sich viel Malerei im Stile der Franzosen des 19. Jahrhunderts und auf der Karte des Achilles die für ein griechisches Lokal ungewöhnlich benannte Paris-Platte. Mit dem nunmehrigen Drumherum-Wissen aber erschließt sich das.‘ Es ist richtig, dass mein Vater, um den es kurz im Artikel geht, sehr francophil ist, allerdings hat die ‚Paris-Platte‘ nichts mit der Stadt Paris zu tun. Das Restaurant heißt Achilles, demnach sind unsere Speisen und insbesondere die zwei Platten, die wir führen, nach Figuren der Troja-Sage benannt, Helena (unsere Fisch-Platte) nach der Prinzessin Trojas, Paris (Betonung liegt auf dem a) war derjenige, der Achilles den Pfeil in die Ferse schoss. Nichtsdestotrotz war der Artikel sehr aufschlussreich und wir bedanken uns für die Erwähnung. Ilias aus dem Achilles-Team.“ Wir danken zurück, Ilias! Da haben wir uns ja ein Ding geleistet, hiermit aber ist es richtiggestellt.