Volly Tanner hat jahrelang den „Durstigen Pegasus“ in der Moritzbastei moderiert, es folgten Literatur-Talk-Shows im Kosmoshaus und im Neuen Schauspiel. In diesem Jahr nun läuft das aktuelle Projekt, „Tanners Terrasse“, im Helheim aus, ganz langsam, aber scheinbar endgültig. Wir trafen uns in der Karl-Heine-Straße.
Lieber Volly, ab 18. Juni, also ab morgen, nimmst Du Abschied von Deiner Talk-Show „Tanners Terrasse“. Warum?
Ach, weißt Du, Bert, da spielen viele Faktoren mit hinein, zum Beispiel Ermüdung. Als ich vor zwanzig Jahren begann, monatliche Leseveranstaltungen mit Gästen auf die Bühnen zu bringen, war da ein Bedürfnis nach Miteinander, intelligenter Unterhaltung, Sozialisation, Literatur. Heute möchte ich auch mal meine Ruhe haben. Das, was ich und einige Wenige damals wagten, ist heut Mainstream und langweilt mich leider sehr oft. Ich mag keine flachen Witze, ich mag keine Ausgrenzungen und Besserwissereien, ich mag keinen Zynismus und keine Häme. Davon ist jedoch auf den vielen, vielen Bühnen sehr viel zu sehen und zu hören. Ich mach’s da wie Rimbaud – ich höre auf. Ach ja, ein anderer Faktor ist auch, dass ich noch andere Sachen ausprobieren möchte. Langeweile muss fetzen, das haben so viele, ich kenn das gar nicht.
Auf Langeweile und die auszuprobierenden Sachen kommen wir gleich, jetzt aber noch einmal zu Deinen Abschieds-Shows. Wie viele werden das sein und wer ist dabei?
Ich werde es schon langsam ausdünnen, nur noch alle zwei Monate bis Ende des Jahres machen. Im Juni hab ich die göttliche Jazz-& Blues-Lyrikerin Jenny Andratschke* dabei, dazu den Finsterkrimihorrorgott David Gray, der sich auch gern mal mit de Sade tummelt, einen Überraschungsautoren, der schüchtern und leise ist und genau dadurch Literatur wieder zur Urform, dem Text, zurückführt und schaumerma wen noch. Im August gibt’s die Spätlese-Terrasse mit dem SF-Autoren Tino Hemmann, der gerade mit „2136“ ein wirklich dystopisches, wahres Hardcore-SF-Buch vorgelegt hat, dazu Independent-Film aus der SF-Ecke. Im Dezember feiern wir „Böse Weihnachten“ und im Oktober werde ich wie jedes Jahr einen Star meiner Jugend aus der Liga Mike Kilian, Manfred Maurenbrecher, Dirk Zöllner da haben. Aber ich höre danach ja nicht auf aufzutreten, ich will nur nicht mehr Orga & Verantwortung haben. Ich lasse mich gern einladen.
Aha! Und welche Sachen möchtest Du in näherer Zukunft ausprobieren, die Langeweile scheint ja noch fern zu sein?
Ach, mich interessiert das Format Literaturradio, mich interessiert auch Film – Poetry Clip, all sowas. Mich interessiert das Schreiben. Und zu all den Dingen gibt es schon Vorgespräche. Ich möchte aber irgendwie nicht mehr „am Markt“ mitmachen. Das ist mir alles zu wenig haltbar, zu schnelllebig und so … Ich glaube, der Spagat aus Vermittlung und Marktabkehr dürfte interessant werden. Das Funktionieren ist so öde, weißt Du? Am Markt mitmachen ist, wenn man’s einmal kapiert hat, zu einfach. Da entsteht ja nicht mal Reibung. Das schlittert ja nur noch.
Letzte Termine: 18.06., 20.08., 22.10., 17.12.2015 Helheim, Weißenfelser Straße 32
* ist gemeinsam mit Mathias Marschner PianoVibra, www.mmpiano.de