Vor einigen Wochen zeigten wir auf unserer Facebook-Seite das nebenstehende Foto. Wir fragten nach dem Standort des Denkmals und an wen es erinnert. Dazu gaben wir diesen Tipp: „Nach dem von uns Gesuchten ist in Lindenau ein Platz* benannt und in Rückmarsdorf eine winzige Straße. Außerdem haben wir gelesen, dass er seinerzeit als Einziger im Rosental reiten durfte. Alle anderen mussten möglichst leise spazieren.“
Kathrein löste das Rätsel als Erste, indem sie zurückfragte: Ist es vielleicht Christian Fürchtegott Gellert? – Ja! Um den handelt es sich! Im 18. und 19. Jahrhundert bekannt ohne Ende, die Stadt war stolz auf seine Anwesenheit hier. Und heute wissen wir kaum noch, was er eigentlich gemacht hat. Er war unter anderem Philosophieprofessor und Fabeldichter. Sein Denkmal steht im Promenadenringgrün ungefähr an der Ecke von Schiller- und Universitätsstraße, nahe der Moritzbastei.
In Hainichen, wo Gellert 1715 geboren wurde, sahen wir kürzlich ein weiteres. Dort weiß sicherlich jedes Schulkind etwas über den Sohn der Stadt. Unser Freund Norbert, ein alter Leipziger, weiß ebenfalls einiges – über das hiesige Gegenstück: „Es ist das Denkmal für Christian Fürchtegott Gellert in der kleinen Parkanlage zwischen Schillerstraße und Rossplatz. Schon in ‚Leipzig – Ein Führer durch die Stadt‘ von 1860 wird es als das ‚wenig geschmackvolle Gellertdenkmal‘ bezeichnet. Sicher, über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten, kennt man die Hintergründe, wird die Gestaltung vielleicht erklärbarer.
Das Denkmal wurde 1774 von Adam Friedrich Oeser im Auftrag des Verlegers Johann Wendler erschaffen. Wendler ließ, als glühender Verehrer des in Leipzig lebenden und lehrenden Dichters, das Denkmal für seinen privaten Garten in Auftrag gegeben. Das Erinnerungsmal an den 1769 gestorbenen Gellert ziert ein von einem Lorbeerkranz umranktes Profilbild an einem abgebrochenen Säulenstumpf, der das jähe Ende des Lebens symbolisieren soll. Bekrönt wird die Säule von trauernden Kindern auf einer Urne. Andere Dichter fanden für das einfühlsam gestaltete Ehrenmal nur lobende Worte, unter anderem auch Goethe.
Das Denkmal selbst hat eine ruhelose Geschichte. Nach dem Tod Wendlers kam es in den Garten der Universität, später auf den Schneckenberg. Für den Bau des Opernvorgängers Neues Theater musste es abgetragen werden und ging dabei zu Bruch. Aus Anlass des 500jährigen Jubiläums der Universität Leipzig entstand 1909 eine Nachbildung des Denkmals am heutigen Standort in den Grünanlagen an der Schillerstraße.
Aber irgendwie erfährt das Monument keine große Beachtung. Es wird wohl daran liegen, dass die Fußgängerströme zur Uni, Ringbebauung und Richtung Leuschnerplatz daran vorbeifließen. Das könnte sich mit der Neugestaltung des Wilhelm-Leuschner-Platzes vielleicht ändern.“ Herzlichen Dank an Norbert!
* der Gellertplatz befindet sich gleich hinter der Uhlandschule, ist geschmackvoll mit Steinen, Bänken und Bäumen versehen und enthält auf seinen gepflasterten Wegen Zitate des Ex-Prominenten: „Ein Ding mag noch so närrisch sein, es sei nur neu, so nimmt’s den Pöbel ein.“, „Gib mir ein Herz voll Zuversicht …“ und „Die Natur lässt sich nicht zwingen.“
Nachtrag 1: Im 1906 erschienenen Buch „Leipzig und die Leipziger – Leute, Dinge, Sitten, Winke“ lesen wir: „Gellert-Denkmal von Knauer, im Rosental. G., von 1751 bis 1769 Professor in Leipzig, bekannt durch seine Fabeln und geistlichen Lieder.“ Anderer Bildhauer, anderer Standort – es muss also ein zweites gegeben haben. Wenige Seiten weiter ist dann Gellerts Wohnung vermerkt: Goethestraße 4, Schwarzes Bret(t).
Nachtrag 2: Es gab tatsächlich zwei Gellert-Denkmale! Im Standardwerk „Leipzig – Baumeister und Bauten“ steht geschrieben: „Das erste Denkmal im Rosental war das Gellertdenkmal. Das lebensgroße weiße Marmorstandbild, 1865 von Hermann Knaur geschaffen, stand östlich des vorderen Rosentalteiches (1959 abgetragen). Der schon zu Lebzeiten hochverehrte Christian Fürchtegott Gellert, Professor für Poesie, besaß als einziger Leipziger Bürger das Privileg, seiner Gesundheit wegen im Rosental reiten zu dürfen.“ Aha, da haben wir’s!
Nachtrag 3: Blogger-Kollegin Cindy (Unterwegs im Hinterland) meldete sich zu Meister Gellert! „Bei meinen Umlandausflügen ist er mir auch schon öfter untergekommen. Er war oft in Schloss Schönwölkau zu Gast und auch im Herrenhaus in Störmthal. Da hängt sogar eine kleine Infotafel am Haus. Ich habe es als Bild angehängt.“ Besten Dank, Cindy!
Nachtrag 4: Im Dezember 2018 erst fiel uns die seit drei Jahren dort angebrachte Gellert-Tafel in der Ritterstraße auf: „Hier im Hof des ehemaligen Großen Kollegs im Trinitätshaus ‚Schwarzes Brett‘ wohnte Christian Fürchtegott Gellert … Schriftsteller der Aufklärung und Professor an der Alma Mater Lipsiensis“. Die Ritterstraße ist die Rückseite der Goethestraße.
Nachtrag 5: Wir müssen uns berichtigen! Im April 2020 traf eine Mail von Bernd Weinkauf, dem Autor zahlloser Leipzig-Bücher und Ortschronisten von Rückmarsdorf, ein: „Zufällig fand ich die Seite zu Gellert mit dem Hinweis darauf, daß ‚in Rückmarsdorf eine winzige Straße‘ nach dem fabelhaften Dichter benannt sei. Das ist ein bereits mehrfach verbreitetes Mißverständnis. In diesem hier vorliegenden Falle handelt es sich nämlich nicht um den Dichter, sondern um den Pfarrer Paul Gotthold Gellert. (Kurioserweise hieß dessen Vater Christian Fürchtegott Gellert!) Als Pfarrer hatte er 1883 das Pfarramt in Rückmarsdorf übernommen. Ihm ist u.a. die 1897 erfolgte Anlage des neuen Friedhofs am Fuße des Wachbergs zu danken. Hier wurden 1902 sein Vater und 1920 er selbst bestattet. Der Grabstein ist noch erhalten, wenn auch das Grab mal wieder (sicherlich vom Heimatverein) in Ordnung gebracht werden sollte. Sie werden das Grab als ‚Geheimtipp‘ sicherlich mal besuchen. Es ist leicht zu finden: vom Eingang bis zum Wasserbecken, dann links und vorm Durchgang zu den Urnengräbern gleich rechts an der Mauer.“ Herzlichen Dank!