Der Zeitung von gestern wird nachgesagt, nichts sei so alt (und uninteressant) wie sie. Bei der Zeitung von vorgestern sieht das schon wieder anders aus. Wir haben einige davon im Schrank liegen und zitieren in loser Folge daraus. Zuerst geht es um den Mietspiegel von 1999.
Die Leipziger Volkszeitung vom 30.06.1999 informiert: „In Leipzig betragen die Kalt-Mieten derzeit meist 8 bis 10 Mark pro Quadratmeter. Das erklärte gestern Wolfram Leuze vom Amt für Wohnungswesen bei der Präsentation des neuen Mietspiegels. Besonders stark gefallen seien in den vergangenen anderthalb Jahren die Tarife in den Nobelquartieren – so bei Neubauten, die ab 1993 entstanden sind, und in vollsanierten Gründerzeithäusern. … Die Messestadt habe bei den Wohnungspreisen inzwischen einen Tiefstand erreicht, der kaum noch zu senken sei, meinte Leuze.“ Das ist erstens erstaunlich zu lesen und muss zweitens der Wolfram Leuze von den Grünen im Stadtrat sein, der kürzlich erst in den Ruhestand verabschiedet wurde.
Zurück zu den Mieten: Wenn deren im Bundesvergleich niedrige Höhen Thema sind, wird oft vergessen, dass auch die Löhne hierzulande selten Tarifniveau erreichen (sogar dem Vorzeigelokal Auerbachs Keller bereite der Mindestlohn Probleme, erfuhren wir letztens ebenfalls aus der Zeitung und wollten es kaum glauben). Was schreibt die LVZ von „vorgestern“ dazu?
„Wohnungsbeigeordneter Holger Tschense führt den Einbruch* bei noblen Quartieren auf die Einkommenssituation der Bürger und ‚den enormen Leerstand‘ von 35 000 der insgesamt 271 000 Wohnungen in Leipzig zurück.“ Mittlerweile hat sich die Situation gedreht, der Leerstand geht zurück, die Mieten steigen. Sogar Viertel wie Lindenau und Reudnitz sind attraktiv geworden – das hätte im Sommer 1999 keiner gedacht.
Zitat von damals: „Der neue Mietspiegel für Leipzig weist bei Häusern, die vor 1946 entstanden sind, deutliche Veränderungen gegenüber der bisher gültigen Tabelle** aus. So sackten die Höchstpreise für Gebäude aus den Jahren 1919 bis 1945 von 16 Mark auf 12,44 Mark ab. … Im Durchschnitt fielen die Preise bei Wohnungsqualität GUT (Komplettsanierung) um 1,73 Mark: von 11,83 auf nunmehr 10,10 Mark.“***
* gemeint ist ein Preiseinbruch
** die war von 1998
*** jeweils pro Quadratmeter
**** hier war einer von uns als Kind beim Kieferorthopäden
Nachtrag am 15.02.2016: Das Immobilienportal immowelt.de hat die Kaufpreise für Eigentumswohnungen in Ostdeutschland beobachtet und für Leipzig folgende Zahlen: 2010 kostete der Quadratmeter hier durchschnittlich 1.020 Euro und 2015 1.357 Euro, was eine Preissteigerung um 33 % bedeutet. Zum Vergleich: Berlin: 1.690 Euro, 3.171 Euro, 88 %. Halle: 950 Euro, 1053 Euro, 11 %. Dresden: 1.311 Euro, 1.955 Euro, 49 %. In Chemnitz und Zwickau fielen die Preise sogar.
Nachtrag am 25.11.2016: „In Leipzig standen Ende vergangenen Jahres noch 19 000 Wohnungen leer … Das Stadtplanungsamt habe eine entsprechende Untersuchung durchführen lassen und dabei Schwachstellen früherer Statistiken beseitigt. Demnach betrug der Leerstand zum Jahreswechsel sechs Prozent des gesamten Wohnungsbestandes. Etwa die Hälfte dieser Quartiere sei marktaktiv“, berichtet die Leipziger Volkszeitung. Vor wenigen Jahren waren immerhin 35 000 Wohnungen frei gewesen.
Nachtrag am 31.07.2023: Inzwischen scheint alles voll zu sein, denn heute bringt die LVZ folgende Titelzeile: „Düstere Prognose für Leipzig: Zu wenige Wohnungen – steigende Mieten“. Im Beitrag dazu lesen wir: „Leipzig braucht jährlich 2000 bis 3000 neue Wohnungen, um den anhaltenden Zuzug zu bewältigen, sagt OBM Jung. Schon bei einem Absinken auf 500 bis 600 Fertigstellungen drohten noch größere Probleme mit der Bezahlbarkeit der Mieten und ‚Münchner Verhältnisse‘, warnt er.“