In ordentlichen Kisten warten Papiertüten voller Bilder auf eine Durchsicht. An dunklen Winterabenden werden sie von uns sortiert und gescannt – ein Abzug nach dem anderen. Und da die Bilder nie nach einem bestimmten System (außer: Das könnte irgendwann mal interessiert sein) fotografiert und weggepackt wurden, entdecken wir immer wieder Überraschendes. Dummerweise fehlt uns manchmal die konkrete örtliche Erinnerung zur Aufnahme, aber da konntet Ihr schon mehrfach helfen.
So zeigten wir Anfang August 2017 auf unserer Facebook-Seite ein 22 Jahre altes Foto aus der Angerstraße. Man sah zwei PKW der Marke Trabant und an der Hauswand dahinter die Aufschrift Alfred Lewinsky Mineralöl-Import. Thomas meldete sich: „Im Leipziger Adressbuch von 1949 ist ein Eintrag ‚Alfred Lewinsky Öle‘ mit der Adresse Angerstraße 9 zu finden. Sieht man nun unter dieser Adresse bei Google-Maps nach, steht dort kein Gebäude, aber das Nachbarhaus, Angerstraße 11, existiert noch. Auf der Fotografie sind am rechten Bildrand die beiden Giebelfenster und das Einfahrtstor von Haus Nr. 11 zu erkennen.“ Julius blätterte kurz darauf im Leipziger Telefonbuch von 1973 und fand als Alfred Lewinskys Privatadresse die Kuhturmstraße 29. „Die Kuhturmstraße 29, das ist das gegenüberliegende Haus, stand auch schon 1949 im Adressbuch“, ergänzte Thomas. Und wir meinten: Da hatte Alfred Lewinsky ja einst einen kurzen Arbeitsweg. In unmittelbarer Nähe, es geht wieder um die Angerstraße, reparierte H. Bauer Autos (mit Robur-Kundendienst und IFA-Service). Bis heute prangt der Namenszug dort vom Putz.
Anfang der 1990er oder vielleicht auch schon Ende der 1980er Jahre hielten wir eine Fabrik für Spülkästen und Trockenklosetts im Bild fest. Das geschah im Bachviertel – aber in welcher Straße? Andreas recherchierte kurz und wusste bescheid. Es handelte sich um Arthur Schilbachs Fabrik und Großhandlung für sanitäre Anlagen in der Davidstraße 11. Bachviertel, die Erinnerung hatte gestimmt. Jetzt suchten wir mit und fanden im Leipziger Adressbuch von 1930 hinter dem Namen Arthur Schilbach den Zusatz „Klosett-Einrichtungen“. In der 1937er Ausgabe stand dann F. Robert Schilbach, was man, wenn man es weiß, auf unserem Bild entziffern kann, und als Adresse Schreckstraße 11. Schreckstraße? Ein Blick ins leipzig-lexikon.de verriet, dass die Davidstraße von 1935 bis 1945 Schreckstraße hieß. Ebenfalls im Bachviertel und sicher auch in den 1990ern hatten wir die Inschrift Voigt & Hofmann, Inh. Victor Göthel, Bäckerei- und Konditorei-Bedarfsartikel für die wissbegierige Nachwelt auf einem Stück Farbfilm bewahrt. Andreas half wieder mit der Adressfindung: Schrebergässchen 2. Besten Dank!
Was haben wir noch? Zum einen Holger Astermanns Heizungsbaugeschäft inkl. Notdienst in der Krönerstraße an der Ecke zur Wurzner. Das markante Haus mit der damals recht hübschen Tür (60er-Jahre-Design?) tauchte unlängst in einem unserer Alte-Ecken-Beiträge auf („Noch mehr alte Ecken“, Oktober 2017; dort mit zugemauerter Tür). Zum anderen fotografierten wir noch vor der Sanierung der Buntgarnwerke* in der Nonnenstraße den Hochbau West. Heute glaubt man kaum, dass das Gebäude mal so ausgesehen hat. An der Wand neben und über dem Schild (Foto oben rechts) steht übrigens „HO-Verkaufsstelle“ …
* siehe auch unsere Beiträge „Buntgarnbrücke bald weg“ (April 2012), „Zeitung von vorgestern II“ (Februar 2015) und „Schilbachs schöne Schüsseln“ (Januar 2018)