„Starkwind in Stünz“, hätte dieser Beitrag gehießen, wenn nicht noch Regen dazugekommen wäre. Wegen der Nässe nämlich verschieben wir die Tour in den Osten und machen uns stattdessen auf den Weg in die Stadt. In Vorbeugung eines Stubenrappels benötigen wir dringend frische Luft! Wie unsere Vorväter und Vormütter suchen wir die in den Passagen, denn die bieten neben Wind- und Regenschutz auch was fürs Auge. Wir starten in der Hainstraße 12 und laufen hinüber zu Kretschmanns Hof in der Katharinenstraße. Diese Passage sieht wegen eines Knicks in der Mitte von beiden Seiten wie eine Sackgasse aus, ist aber keine. An der Pfeffermühle lesen wir durch ein Gittertor Kaminsaal. Den kennen wir nicht. Wozu gehört er und was passiert in ihm?
Dann gehen wir neben Barthels Hof durchs König-Albert-Haus ins Barfußgässchen und weiter in die Kleine Fleischergasse. Wir wollen wissen, ob man vom Kleinen Joachimsthal (Wenzels Prager Bierstuben) durch Vetters Hof in die Hainstraße (TK Maxx, Adlerapotheke) gelangt. Es funktioniert! Zumindest tagsüber, gibt es doch einen „Durchgang zur Passage“. Als nächstes nehmen wir die Abkürzung durchs Alte Rathaus und eilen anschließend an Goethe vorbei vom Naschmarkt zur Reichsstraße. Gegenüber verschwinden wir in Specks Hof, aber nur um die viel weniger schöne Theaterpassage* zu erreichen. Die spazieren wir hoch bis zur Oper (Goethestraße, Augustusplatz) und von dort wieder zurück, denn wir wollen noch ins Städtische Kaufhaus.
Vom Gewandgässchen aus führt uns ein überdachter Abschnitt an den Leipziger All-Stars vorbei. In Bild und Kurzbiografie werden hier in alphabetischer Reihenfolge vorgestellt: Bach, Brockhaus, Gellert, Goerdeler, Goethe, Goetz, Goldschmitt, Gottsched, Grieg, Hahnemann, Klinger, Leibniz, Lessing, Liebknecht, Lotter, Luther, Mendelssohn Bartholdy, von Morungen, Nietzsche, Ostwald, Reclam, Schiller, Schreber, Schumann, Schumann, Wagner, Wehnert-Beckmann und Weiße. Als New Stars lächeln die Prinzen aus dem Nachbarschaufenster …
Die Kupfergasse überquerend landen wir zuguterletzt in der Passage des Dresdner Hofs und erfreuen uns an Exponaten aus der alten Mustermessezeit. Der Messpalast erinnert an seine Vergangenheit und ehemalige Aussteller. Paul Sternkopf & Co. aus Gahlenz in Sachsen beispielsweise zeigten ihre Holzgalanteriewaren in der 5. Etage, Heinrich Schmuck von der Weißenburger Metall-Topfreiniger- und Gespinstfabrik lauerte im 1. Obergeschoss auf Kundschaft. Ein anderes Schild kündet von einem Express-Fahrstuhl, welcher aufwärts nur im 5. Stock hielt, schlecht für die Kindernähmaschinen und Puppenbestecke von Georg Schmidt aus Lüdenscheid – die warteten im dritten.
Auch Leipziger Hersteller boten ihre Erzeugnisse im Dresdner Hof zum Verkauf, u.a. die Puderquastenfabrik der Rafa-Werk A.G. aus Leipzig N 24 oder A. Schumers Leipziger Hosenträgerfabrik. Herrliche Namen! Schließlich erfahren wir etwas über die Branchen, die hier später präsent gewesen sind und ihre Verteilung auf die einzelnen Stockwerke: Pharmazie – 1. Etage. Kosmetik, Seife, Waschmittel – 2. Etage. Grundstoff-Chemie, Pflanzenschutz- und Schädlingsbekämpfungsmittel, Lacke und Farben – 3. Etage. Pharmazie und Pharmazeutische Nebenprodukte, Kerzen, Fußboden- und Lederpflegemittel – 4. Etage. Riechstoffe, Laborchemikalien, Lacke und Farben, Pyrotechnik und Chemisch-Technische Erzeugnisse – 5. Etage. Das alles findet man in den Passagen.
* bestimmt nach dem Neuen Theater benannt, das früher an der Stelle der Oper stand