Ansehen Historie

„Damals war Leben im Stadtteil!“

Damals war Leben im Stadtteil

Mit Michael trafen wir uns im Eis-Café im Mockau-Center. Er hat von 1955 bis 1976 in der Mockauer Straße gewohnt und uns bei Kaffee und Bierchen Erinnerungen an diese Zeit und diese Ecke zum Besten gegeben. Nach wie vor ist Michael am Viertel interessiert und dank des Internets auch immer gut über dieses informiert. „Wenn man heute durch Mockau fährt“, sagt er, „ist es im Vergleich zur vergangenen Zeit tot, ich will damit sagen, damals war Leben im Stadtteil!“ Das zeigte sich u.a. in den vielen Läden und Geschäften.

„In der Mockauer Straße 8 befand sich in den 70er Jahren ein Friseursalon, vorher war der privat und hieß Salon Bräse. Herr Bräse hatte seinen F9 in der Garage stehen im Hinterhaus, da war eine größere Garage mit Wohnhaus anschließend an ehemals Arno Krebs. Das alles mit dem großen Wohnhaus gehörte meinen Onkel, dem Töpfermeister Bergholz. Das Hinterhaus mit der Garage wurde in den 1990er Jahren abgerissen – dort hatte ich meine Kindheit und Jugend verbracht.

Im Haus befand sich ein kleiner Kolonialwarenladen, der auch vom Onkel betrieben wurde, danach war dort eine Fahrradwerkstatt und später in den 1960er Jahren eine Keramiktöpferei und im Nachbarhaus die Fleischerei Pleßmann. Aus der Fleischerei in der Nummer 5 wurde ein kleiner Konsum, gerade rüber in der 12 war der Augenoptiker Schurig und in der Nummer 16 auch noch eine Bäckerei mit dem Namen Winkler. Die zog später in die Kieler Straße.

In der Kreuz-Drogerie mit grün beleuchtetem Kreuz schräg gegenüber von der Hefe-Union gab es Beutel-Blitze für 25 Pfennig, damit hat man die Leute erschreckt, das war eben so. Das Schleifmaschinenwerk verfügte bis Ende der 1960er Jahre über eine Neon-Leuchtschrift, weithin hell erleuchtet war es ab der Berliner Brücke zu sehen.

Ich fahre in der Mockauer Straße 5 fort, neben dem Konsum gab es noch einen kleinen Tabakladen, Inhaberin Frau Hanke. Das nächste Haus war im Zweiten Weltkrieg durch eine Brandbombe zerstört worden, darin hatte sich eine große Arztpraxis befunden, so überlieferte es mein Vater. Das nächste Geschäft war ein Gemüseladen, gefolgt von der Firma di Pol, einem italienischen Steinmetz- und Granitbetrieb. Die Frau kenne ich noch aus den Sechzigern, sie war damals hochbetagt. Der Schriftzug Leonardo di Pol ist heute noch zu sehen. Das letzte Geschäft an der Ecke zur Rosenowstraße schließlich war ein kleiner Kosmetikladen.

Wenn man in die Rosenowstraße einbog, gab es folgende Firmen: Am Bahnübergang links einen Betriebsteil von Mikrosa (ehemals Krebs), dann die Firma Patzschke, dann Eisenbau Leipzig und später MLK. Hinten waren schon immer Gärten und gegenüber von diesen befand sich die Deutsche Post mit einen Störsender, der uns den Empfang von RIAS Berlin und SFB (Sender Freies Berlin) auf allen Frequenzen vermiesen sollte. Es grenzen dann noch die alte im Krieg zerstörte Schule und das ehemalige Beha-Aufzugswerk an. Am Aufzugswerk war noch sehr lange ein Bombentreffer im oberen Geschoss zu sehen. Die Firma Patzschke hatte im Krieg Panzerlafetten produziert.

In der Mockauer Straße gab es weiterhin einen großen Konsum in einem Flachbau, der den Rest eines zerstörten Wohnhauses bildete, daneben damals einen kleinen Milchladen – da wurde noch in der Kanne eingekauft – und dann kam die Bäckerei Tauche. Die Verkäuferin darin meinte immer zu mir: ‚Na, mein Kleener, eine 78? Na klar!‘ Das Brot, das ich holte, kostete 78 Pfennige. Es folgte noch eine Wäschemangel und dann war Schluss mit Geschäften bis zur Friedrichshafner Straße.“

Michael erinnert sich darüber hinaus an den Eismann von den Volkseigenen Kühlbetrieben, der ausgerüstet mit Lederschürze und Trillerpfeife einmal in der Woche mit dem Garant durch Mockau fuhr, um Eis für die Eisschränke zu bringen. Die Gasfrau im blauen Kittel hingegen kam mit dem Rad und einem langen Stab inklusive Zünder, sie zündete die Gas(straßen)laternen an, bis diese 1968 gegen elektrische ausgetauscht wurden. Zuguterletzt hat der Ex-Mockauer noch ein Anekdötchen vom Wasserturm auf Lager. Wenn die Lichter auf dessen damals anders gestaltetem Kopf ab der Dämmerung zu sehen waren, sagten sich Michael und seine Freunde, wenn sie am Bagger baden waren: „Oh, die Baskenmütze leuchtet, wir müssen nach Hause.“