Am 27. Oktober des Jahres 1900 wurde das Künstlerhaus am Nikischplatz eröffnet. Damals hieß die Adresse Bosestraße, heute ist vom Künstlerhaus so gut wie nichts geblieben. Selbst wenn man durch den baulichen Rest mit dem Schriftzug „KVENSTLER-HAVS.“ hinüber zur Zentralstraße läuft, macht man sich keine Vorstellung mehr, was an dieser Stelle einmal stand, wer hier lebte, arbeitete und feierte.
Die Leipziger Blätter schaffen dankenswerterweise Abhilfe, haben vor kurzem ein Sonderheft über das Künstlerhaus veröffentlicht. Gleich auf dem Titel sehen wir, was einst die Lücke füllte, ein Bau, der es in seiner Besonderheit mit mancher Sehenswürdigkeit in Barcelona aufnehmen könnte (ebenso wie das Märchenhaus, das sich gegenüber des Künstlerhauses befand und ebenfalls im Heft zu sehen ist).
In verschiedenen, sorgsam bebilderten Beiträgen erfahren wir vom Werden und Wirken des Leipziger Künstlervereins, aus dessen Reihen die Idee vom eigenen Heim mit Wohnungen, Ateliers und Veranstaltungsräumen stammt. Wir staunen über den (Künstler-)Streit zwischen Max Klinger und Eugen Urban und lesen von Lehmannschem Garten und Langem Haus. Letzteres wurde in ersteren hineingebaut und nahm bis zu seinem Abriss in etwa die gesamte südliche Seite der Bosestraße ein. Auf einem kleinen Teil des Grundstücks errichtete man später das Künstlerhaus, welches seinerseits am 4. Dezember 1943 Weltkriegsbomben zum Opfer fiel.
Porträts bekannter und vergessener Künstler folgen sowie Bauzeichnungen, Innen- und Außenaufnahmen. Dem Märchenhaus ist ein Abschnitt gewidmet, dem Platznamensgeber Arthur Nikisch (der im Märchenhaus wohnte) und der Entwicklung des Gebiets nach 1945. Doch damit nicht genug, es werden im Künstlerhaus gefeierte Feste geschildert, Plakate, Eintrittskarten und Anzeigen präsentiert und auch das Ende des Leipziger Künstlervereins im Dritten Reich nicht ausgespart.
Interessierte entdecken lauter Details, die unter anderem zu Ringelnatz‘ Vater und einer Bronzetafel am Alten Rathaus führen, zu einer Synagoge in Apels Garten und zur HTWK (ehemals Oberpostdirektion). Wir sehen Albrecht Leistners Gedenkskulptur „Auferstehung“, das vom einzigartigen Paul Möbius gebaute Leutzscher Landhaus des Malers Walter Queck (erbaut 1902) und auch die Kleinmesse um 1920. Leipzig-Liebhaber und Stadtgeschichts-Spezis werden nicht fertig mit Blättern, Lesen und Notizenmachen …
Zu bekommen ist das Heft im Buchhandel sowie direkt beim Passage-Verlag
Nachtrag zum Landhaus Walter Queck: Architekturinteressierten empfehlen wir das Buch „Paul Möbius – Jugendstil in Leipzig“ von Stefan W. Krieg und Bodo Pientka.