Nachdem wir uns gerade erst mit Leipziger Höfen befasst hatten, gerieten wir auf einem Spaziergang durch Reudnitz auf den wahrscheinlich größten und grünsten Hof unserer Stadt. Er befindet sich zwischen Holstein-, Kurt-Günther-, Reiske- und Witzgallstraße und wird vom Schreberverein der Ostvorstadt eingenommen. Der war 1870 als zweiter Leipziger Schreberverein gegründet worden, hatte jedoch kein Gelände für seine Zwecke gefunden und sich wieder aufgelöst. Dafür klappte es dann 1892 auf der soeben genannten Fläche.
Die von der Stadt initiierte und erstellte Wohnbebauung rundherum erfolgte in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre und gehört heute der LWB. Im Ergebnis erinnert das Ganze an die Meyerschen Häuser, bloß dass hier die Gärten zuerst da waren. Die Grünanlage ist u.a. über den tunnelartigen Durchgang in der Kurt-Günther-Straße zu erreichen oder von der Holsteinstraße aus am ehemaligen, 1932 eingeweihten Schreberheim, welches seit einigen Jahren als Kindergarten genutzt wird.
Begonnen hatten wir unsere Erkundungstour bei den in der Sonne leuchtenden Balkons vom Möbiusplatz (benannt nach dem Direktor der Leipziger Sternwarte, August Friedrich Möbius, 1790-1868, und dessen Familie), schweiften kurz zur Eilenburger Straße hinüber und dem Haus Nummer 43, über dessen Einfahrt auf Carl Thieme hingewiesen wird.
Möglicherweise handelt es dabei um den Carl Wilhelm Thieme, welcher 1850/51 in Reudnitz Klavierinstrumente fabrizieren wollte und ein Gesuch dazu einreichte, das bis heute in den Archiven liegt, bzw., da das Gebäude laut Liste der Kulturdenkmale in Reudnitz-Thonberg erst 1907 errichtet wurde, um seine Nachfahren.
In der Möbiusstraße, die den Möbiusplatz mit der Anlage der ostvorstädtischen Schreberfreunde verbindet, erhebt sich die Humboldt-Schule wie ein Renaissanceschloss. Dieses Gymnasium der Stadt Leipzig war einst die V. Realschule, was über dem Eingang noch schwach zu lesen ist. Erbaut wurde sie 1908-10 im Stile des Historismus u.a. von Stadtbaurat Otto Wilhelm Scharrenberg.
Der erinnerte mit dem Schulhaus an ein Gebäude aus der Innenstadt, wie wir dem Wikipedia-Eintrag über das Humboldt-Gymnasium staunend und dankend entnehmen konnten. Aus diesem Entrag stammt folgendes Zitat: „Die straßenseitigen Ziergiebel wurden dem Renaissancegiebel der Fleischbänke in der Reichsstraße 3/5 nachgebildet, die zur gleichen Zeit dem Neubau des Messehauses Städtischer Handelshof weichen mussten. Es wurde sogar Material daraus in den Schulgiebeln verwendet.“
Nachtrag am 03.02.2024: Denis erinnerte sich auf Facebook: „Zu DDR-Zeiten war im Schreberheim die Schulessenversorgung 1.-4. Klasse. Nach der Wende unser (fast) tägliches Zuhause mit Billard, Dart und Automatenspielen. Der Kneiper war Ungar, komme jetzt nur nicht auf den Namen. Die Wiese dahinter war ein herrliches Versteck für die Mutprobe der ersten Zigarette und den ersten Sekt. Der Durchgang an der Kurt-Günther-Straße eignete sich herrlich für ein 1-zu-1- oder 2-zu-2-Fussballmatch mit ’nem Tennisball.“ Danke!
Und Sabine schrieb: „Das ist die Schreberwiese, das war oder ist eine viereckige Wiese, man kam von der Holsteinstraße durch eine Schlippe rein und ging entweder ordentlich den Weg um das Quadrat bis zu der Ecke, wo man raus wollte, bei der Witzgallstraße machte das auch Sinn, wenn man aber wie ich oder andere Schüler zur Kurt-Günther-Straße wollten, kürzten wir ab und liefen aus der Schlippe kommend schräg über die Wiese, bei einem Quadrat halt von A nach D, das war kürzer …“ Danke!