Als wir Anfang Dezember hier „Alte Bilder aus Knauthain“ zeigten, meldete sich u.a. Glenn mit einem Hinweis, der zu diesem Beitrag führte. Er schrieb, dass am Elsterstausee „der Grundstein für die Wappen von Leipzig gelegt“ worden sei, mit der er zweimal „auf großer Fahrt“ gewesen war – auf der Ostsee. Lustigerweise einer von uns auch, nicht direkt mit Glenn, aber wahrscheinlich zur gleichen Zeit, nämlich in den 1980er Jahren. Im Familienarchiv ließen sich Fotos davon auftreiben, auf einigen kann man den Namen der Leipziger Segelyacht erkennen (Motive Martinshafen + Neuendorf Hochformat).
Die „Wappen von Leipzig“ war eine Kielschwertyacht vom Typ Ilsebill, welche 1970 zu ihrem ersten Törn aufbrach. An ihrer Entstehung waren neben enthusiastischen Leipziger Seglern, die ihre sportliche Heimat damals am Stausee hatten, der Bootsbau Herold beteiligt sowie die PGH Holz und Glas. Für den Feinschliff ging es schließlich zu Julius Guldbrand nach Stralsund. In den Sommern der 1970er und 80er Jahre durchkreuzte die Wappen dann im 14-Tage-Rhythmus die Hochseegewässer der DDR, immer mit wechselnden Besatzungen, manchal waren ausschließlich Sportfreunde an Bord, manchmal auch zwei Leipziger Segler mit ihren Familien. Sechs Leute konnten auf dem Schiff schlafen – es war ein schwimmendes Wohnmobil.
Der letzte Törn fand 1990 statt, beim Transport vom Winterlager im alten Gaswerk Knauthain hinauf an die Ostsee war der Stahlrumpf beschädigt und oben zwar in einer Werft repariert worden, hätte den Experten zufolge aber kommenden Belastungen nicht mehr lange standgehalten. Zu der Zeit, genauer seit 1985, verfügten die Leipziger Segler bereits über eine zweite Gemeinschaftsyacht, die Lipsia vom Typ Sund.
Auf den Internetseiten der Universität Leipzig, Arbeitsgruppe Zeitzeugen der Seniorenakademie, erinnert sich Conrad Keilitz detailliert an die Aktivitäten am und auf dem Elsterstausee sowie ausführlich an den Bau der „Wappen von Leipzig“. Wir zitieren: „In den 60ziger Jahren hatte der Stausee noch die volle Größe und es wurden Regatten gesegelt. Es gab ein reges Sportleben mit Kinder- und Jugendgruppen. Drei Betriebssportvereine und die GST (Gesellschaft für Sport und Technik) waren dort ansässig. Es wurde ausgebildet. Der Segelschein ‚Binnen‘ und ‚Küstenfahrt‘ konnte erworben werden. Ein paar Sportfreunde, vor allem die Siegreichen, fuhren auch zu den DDR-Meisterschaften oder zu anderen Regatten nach Berlin oder dem ‚Süßen See‘ bei Halle, und belegten dort beachtliche Plätze.“
Und es geht weiter: „In den dortigen Vereinen gab es eine kleine Anzahl von Sportfreunden, die schon seit 1954 Seeluft schnupperten. Die sind auf der Ostsee auf Berliner Yachten mitgesegelt, hatten sogar Yachten in eigener Regie überlassen bekommen und stellten auch die Schiffsführer. Heute nennt man das Charter … Und wie das ebenso ist – man will mehr – es entstand der verrückte Gedanke von einer eigenen Leipziger Yacht. Die Initiatoren wurden erst belächelt, aber es wurden immer mehr Sportfreunde, die dazu kamen und das Projekt nahm Formen an.“
Epochen später, so um 2012, stand die alte Wappen neben dem Mörtelwerk aufgedockt am Karl-Heine-Kanal, um im Jahr 2014 als Ilsebill wieder auf große Fahrt zu gehen. Auf Ilsebill71 kann man ihren Spuren folgen, von September bis Dezember 2014, von der nahen Saale bis ins ferne Portugal, dort bricht das Logbuch leider ab. Dafür hat Dietrich Hank in dessen Kommentaren einen Juwel versteckt, das Lied zur „Wappen von Leipzig“:
Die Wappen von Leipzig, die wollen wir segeln
Bei Sonne und Regen und bei rauhem Wind.
Uns treibet die Sehnsucht nach Wasser und Wellen
Hinaus auf die Ostsee, weil Segl’r wir sind.
Refrain:
Ostsee! Heijo! Setzt die Segel hei-o! Segeln macht uns frisch und froh!
Ostsee! Heijo! Setzt die Segel hei-o! Segeln macht uns frisch und froh!
Wir kommen aus Leipzig, sind doch hier zu Hause.
Wir grüßen Euch, Freunde von Bodden und Haff.
Wir woll’n mit Euch segeln bei Sturm oder Flaute,
Bezwingen die Weite aus eig’ner Kraft.
Wir lieben die Wappen. Sie stillt uns’re Sehnsucht.
Sie segelt uns sicher bei Welle und Wind.
Wir halten zusammen als gute Gemeinschaft,
weil wir die Leipziger Segler sind.
Und geh‘ ich von Bord nach der vorletzten Reise,
Dann greif‘ ich noch einmal die Pinne ganz zart.
Dann schwoit sie vor Anker mit jüngerer Mannschaft.
„Frisch auf! Setzt die Segel! Allzeit gute Fahrt!“
Herzlichen Dank an Glenn für die Anregung! Herzlichen Dank an alle Info- und Bilder-Bereitsteller!