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Endlich im Tapetenwerk

Endlich im Tapetenwerk

Buchmesse in Leipzig. Unsere Freunde Beate und Thomas überredeten uns, mit zu einer Lesung ins Tapetenwerk zu kommen. (Danke!) Holger Witzel war angekündigt, der Leipziger vom Stern, mit seinem Zweitling „Gib Wessis eine Chance“. 20.30 Uhr sollte der Spaß beginnen, in der Plattenküche, der Kantine des Tapetenwerks. Plätze zu reservieren, war nicht möglich gewesen, zeitiges Kommen und so weiter … Also reisten wir gegen 18 Uhr an, speisten Lachs, Reis und Makkaroni und belegten den besten Tisch im Raum.

Dann schauten wir uns im Werksgelände zwischen Lützner Straße und Henriettenpark um und staunten: Haus A, B und D gab es da sowie F und K, zudem die Hallen C, E und H und einen Innenhof. Die Treppenhäuser erinnerten an die Lehrausbildung oder den PA-Unterricht, die Ateliers, Laden- und sonstigen Lokale an die positiv-kreative Seite der Gegenwart. In einigen fanden gerade Lesungen statt.

Die Plattenküche – hat das was mit den Druckplatten zu tun? – füllte sich. Erst wurden die Sitzplätze knapp, dann die Stehplätze. Wir fühlten uns an unserem Tisch wie frühe Vögel, als der Autor den Raum betrat. Beinahe erschrocken über die Menge der Erwartungshungrigen überließ er seinen Stuhl einem jungen Mann mit Krücken, setzte sich auf den Tisch und begann. Er las, gleichzeitig bescheiden und selbstbewusst, das Publikum reagierte begeistert – auch wir waren fasziniert.

Holger Witzel sezierte u.a. Goethes eigennützigen Gang nach Leipzig und Weimar (schon damals kamen die Westler in den Osten), Ost-Minister Tiefensees sinnlose Rückkehrer-Pakete („West-Ost-West-Transfer“) und das schwache Echo der Brüderle-Sexismus-Debatte unter Ostfrauen. Eines erzählte er nicht, wir entdeckten es im Nachhinein in seinem Buch und kommen nicht umhin, diese Passage zu zitieren: „In Leipzig, beispielsweise, gib es einen – leider – einheimischen Maler, der seit 20 Jahren die gleichen bunten Kinderfratzen malt und schon die halbe Stadt vollgeschmiert hat. Die neuen Besitzer der Fassaden haben einen Narren an ihm gefressen. Sie halten den Einfaltspinsel für einen Künstler …“

Nach der Lesung wechselten Bücher die Besitzer und die Tinte aus dem Kugelschreiber auf signierte Seiten. Wieso druckt der Stern solche Beiträge, fragten wir uns. Na gut, einen über die Journalistenpreisverleihung an den Leipziger Autoren bzw. eben dann doch an einen anderen hatte die Hamburger Zeitschrift nicht veröffentlicht. Trotzdem unklar. Wir jedenfalls haben Holger Witzel erlebt, ein Buch gekauft und das Tapetenwerk endlich mal von innen gesehen.

www.tapetenwerk.de