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Holsteins Gruseloper „Haideschacht“

Holsteins Gruseloper Haideschacht

Auf manche Sachen muss man aufmerksam gemacht werden. Falk A. Hüchelheim, Gohliser Musiker, Sammler und Verschenker, erzählte uns unlängst von Franz von Holsteins Oper „Haideschacht“ und machte dabei ein paar Ausführungen zur Handlung. Auf der Stelle waren wir Zunder und Schwefel und beschafften uns das Textheft des Werks, erschienen bei Breitkopf & Härtel in Leipzig. Der Komponist, nach dem die Holsteinstraße in Reudnitz-Thonberg benannt ist und der auch die Dichtung für seine Musikstücke selbst zu Papier brachte, war zwar uns kein Begriff, im 19. Jahrhundert jedoch eine Größe seines Fachs.

Gehofft als alte Lokal- und Regionalpatrioten hatten wir, dass sein „Haideschacht“ ein „Heideschacht“ wäre und als solcher in der Gegend um Düben angesiedelt. Stattdessen spielt die Oper im schwedischen Falun und zwar am Ende des Dreißigjährigen Krieges. Ein Obersteiger im Faluner Bergwerk namens Svend Stirson nimmt die Hauptrolle ein, seine Schwester Helge ist vor Kummer verrückt geworden. „Was ist mit der Helge?“, fragt ein Mädchenchor zu Beginn und bekommt zur Antwort: „Wie man sich erzählt, / Hatte sie sich den Froböm zum Liebsten erwählt. / Auf Johannis da sollte die Hochzeit sein, / Doch stellte der Bräut’gam sich nimmer ein.“

Er war verschwunden und Helge will es nicht wahrhaben. Die Mädchen singen ihr hinterher: „Willst du dein Glück verschlafen? / Schön Jüngferlein, wach‘ auf! / Das Glück hat schnelle Füße, / Gar flüchtig ist sein Lauf.“ Und was tun die Kupferschürfer, Svends Kollegen, kund? „In des Berges Schacht vergraben, / Seh’n wir lang‘ die Sonne nicht; / Heut mit doppeltem Behagen / Freu’n wir uns am warmen Licht.“ Dann kehrt der dunkle Soldat Olaf aus dem Krieg in Deutschland zurück und möchte fortan im Haideschacht nach Silber suchen. Doch jener Ort scheint nicht geheuer, steht unter böser Geister Macht.

Im Finale schließlich wird dort der vor Jahren abhanden gekommene Bräutigam der also doch nicht wirren Helge geborgen. Dafür liegt am Ende der skrupellose Kriegsmann zerschmettert „im Grund“. Der faszinierende Grusel basiert auf einer alten schwedischen Bergmannssage, derzufolge im Faluner Haideschacht Verunglückte „unverändert an Körper und Gestalt erhalten blieben, so daß sie, nach langen Jahren aufgefunden und an das Tageslicht gebracht … Lebenden glichen, die in süßen Schlaf versunken dalagen“. Helge sieht ihren Geliebten wieder, so wie sie ihn in Erinnerung hatte. Tot ist er trotzdem.

Laut Moritz Fürstenaus Eintrag zu Friedrich Franz von Holstein in der Allgemeinen Deutschen Biographie (Bd. 13, 1881) – es gibt eine Online-Version – kam das Stück beim Publikum richtig gut an. „1866 trat er zum ersten Mal mit einem größeren Werke vor die Oeffentlichkeit und zwar mit der Oper ‚Der Haideschacht‘, die mit entschiedenem Erfolge in Dresden gegeben ward, um von da den Weg auf viele deutsche Bühnen zu finden. — Eine zweite 1872 zuerst in Leipzig gegebene Oper ‚Der Erbe von Morley‘ hatte nicht den gleichen Erfolg. Mehr Glück machte eine dritte Oper ‚Die Hochländer‘, welche zuerst 1878 in Mannheim aufgeführt wurde.“

Holstein, geboren 1826 in Braunschweig, kam als junger Mann nach Leipzig, um hier Musik zu studieren. Er heiratete die einheimische Kaufmannstochter Hedwig Salomon (1822-1897), widmete sich der Kunst, starb allerdings schon 1878 an den Folgen einer Magenkrebserkrankung. Hedwig von Holstein, von deren Vater die Salomonstraße ihren Namen hat, „initiierte die Holstein-Stiftung für unbemittelte Musikstudierende“ und begründete den „Salomonstift, eine Wohnstiftung für Arbeiterfamilien und alleinstehende Frauen“ (siehe leipzig.de). In der Salomonstraße 11a befindet sich seit 2022 eine Gedenktafel für sie.

Die sieben Aufgänge im Salomonstift, gelegen an der Riebeck- zwischen Ost- und Eilenburger Straße, heißen innen von links nach rechts betrachtet Hedwig-, Holstein-, Julius-, Salomon-, Julien-, Seeburg- und Elisabeth-Haus. Elisabeth Seeburg war Hedwig von Holsteins Schwester, Julius und Julie Salomon hießen die Eltern der Beiden. Elisabeth Seeburg war außerdem die Frau von Moritz Seeburg, an den u.a. die Seeburgstraße erinnert.

www.salomonstiftung.de

Nachtrag 1: Katrin schickte uns einen Ausschnitt aus dem Leipziger Tageblatt und Anzeiger vom 13.02.1869. Da äußert man sich zu einem Concert im Saale des Gewandhauses, bei dem u.a. die Ouvertüre des „Haideschachts“ aufgeführt wurde: „Letztere ist ein geschickt angelegtes, gut gebautes und musikalisch tüchtig gearbeitetes Musikstück mit gesunden, nobel erfundenen Themen, welches als eine die Hauptmotive und den Grundzug der Oper resumirend darstellende Opern-Ouvertüre entschiedenes Lob verdient und ebensowohl als selbstständiges, geschlossenes, auch für den Concertsaal annehmbares Instrumentalwerk Geltung beansprucht, als es auf die Oper von vornherein ein günstiges Licht wirft. Es wäre jedenfalls interessant, das dramatische Erstlingswerk des talentvollen Leipziger Componisten, welches in Dresden mit Beifall gegeben worden ist, auch auf unserem Theater bald zu hören.“

Nachtrag 2: Peter erinnerte sich an die Holsteinburg, ein beliebtes Lokal, welches sich in der Holsteinstraße befand und dessen Räume später von der Vogtländischen Hutzenstube genutzt wurden. Außerdem wusste er vom Akkordeonlehrer Arnold zu berichten, der in der Holsteinstraße eine Musikschule betrieb, sowie davon, dass es vor Zeiten statt der Brücke hinüber zur Martinstraße eine Schranke gegeben hat mitsamt eines Schrankenwärterhäuschens, das später unter der Brücke kauernd sein Dasein als Laube fristete. Die Schienen führten zum Eilenburger Bahnhof, dem heutigen Lene-Voigt-Park.

Nachtrag 3: Holsteins Textheft haben wir Falk A. Hüchelheim geschenkt.