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Im Gasthof Baalsdorf

Im Gasthof Baalsdorf

Wie lang sich die Zweinaundorfer Straße ziehen kann, wird einem klar, wenn man zum Gasthof Baalsdorf unterwegs ist – kilometerweit. Doch das Ziel entpuppt sich als märchenhafte Belohnung: Ein Dorfanger wie aus dem Bilderbuch mit Kirche, Teichen und einem schmucken Gasthof, umrahmt von Bauernhäusern samt Nebengelassen. Und der Gasthof, den wir auf Anraten und in Gesellschaft von Kate und Thomas besuchen, sieht mit seinem Jugendstilgiebel, dem grünen Freisitz und den nostalgisch-gemütlichen Innenräumen ebenfalls aus wie gemalt.

Hinzu kommen die lustig-traditionellen Kellner der Inhaberfamilie Koch, die in schwarzen Hosen und weißen Hemden mit Bier, Wein und roter Limo umhereilen und später Teller mit Schnitzel à la Meyer, Rumpsteak und Bauernfrühstück (mit Soße!) herantragen. Rundherum sitzen gutgelaunte Gäste in großer Zahl, der Parkplatz ist voll, die Stimmung ist toll.

Wir erfreuen uns am Ulrich-Lichtkasten über der Theke, an Ulrich-Bierdeckeln, den wunderbar altmodischen Glasschildern draußen am Haus und auf dem ellenlangen Weg zur Toilette zum einen an historischen Möbeln und Utensilien im Flur sowie zum anderen am Humor der Gastwirtsfamilie. Öffnet man nämlich die endlich erreichte Tür mit der Aufschrift „Damen“ oder „Herren“, stellt man fest, dass sich das Labyrinth um eine weitere Etappe fortsetzt.

Zurück am Tisch fragen wir uns, ob Fassbrause (= rote Limo) eine ostdeutsche Erfindung beispielsweise der 1950er Jahre gewesen ist. Wir fragen es uns, ohne die Antwort zu finden. Nicht so schlimm, das können wir später mal klären. Ganz was anderes: Die Kochs haben sogar Ansichtskarten von ihrem Lokal und in der Speisekarte eine hübsche Chronik, aus der wir zum Schluss ein wenig zitieren:

„Das Grundstück des heutigen Gasthofes befand sich früher im Besitz der Dorfgemeinschaft und wurde als Pachtschenke betrieben. Nachdem sich diese Gemeinschaft am 31. Juli 1851 bereit erklärte, Schenke und dazugehöriges Grundstück für 2820 Taler zu verkaufen, wechselten diese in den folgenden 38 Jahren viermal den Eigentümer. 1889 kaufte … Leopold Fritsche das Grundstück nebst Inventar und zog mit seiner Ehefrau Anna am 1. November dort ein.“

Dieser Leopold Fritsche ist der Urgroßvaters des heutigen Inhabers Klaus Koch. Wir lesen weiter vom zugeschütteten Schenkenteich, vom Saalanbau und dem einstmals berühmten Pferdeball und wissen jetzt schon, dass wir in nicht allzu langer Zeit die vielen Kilometer der Zweinaundorfer Straße erneut abfahren werden, bis wir wieder am Baalsdorfer Anger landen und im Gasthof einkehren.

Nachtrag am 01.09.2016: Gestern überraschte uns die LVZ mit der Schlagzeile „Baalsdorfer haben das meiste Geld in der Tasche“. Der Beitrag beschäftigte sich mit dem „monatlichen persönlichen Nettoeinkommen“ der Einwohner unserer Stadt, welches in diesem Ortsteil mit 1.857 Euro am höchsten sei (Leipziger Durchschnitt: 1.254 Euro). So reich sah Baalsdorf gar nicht aus …