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Mit der Brieftaube zu Brockhaus

Der uns bekannte Sammler aus Stötteritz „konnte kürzlich ein altes Kuvert ersteigern, welches sooooo schön handschriftlich adressiert ist an Herrn F.A. Brockhaus in Leipzig. Keine Straßenangabe, keine Hausnummer oder Postleitzahl. Der Mann muss damals schon prominent gewesen sein! Das Kuvert ist rückseitig abgestempelt mit Splügen 16.XI.76 (wohl 1876). Splügen ist ein Ort im Kanton Graubünden in der Schweiz, wo auch der Absender J.A. Scartazzini seinen Wohnsitz hatte.“

Friedrich Arnold Brockhaus hatte seinen Wikipedia zufolge am Leipziger Markt. Doch der Brief des italienischsprachigen Schweizers ging nicht dahin, sondern in den seinerzeit sehr bekannten (bis 2009 bestehenden) Verlag. F.A. Brockhaus lebte von 1772 bis 1823, begründete das Editionshaus 1805 zunächst in Amsterdam und brachte u.a. ab 1809 die später nach ihm benannten Lexika heraus.

Giovanni Andrea Scartazzini (Giovanni = Johann bzw. Johannes) war von 1837 bis 1901 auf der Welt, als Pfarrer und auch als Forscher, der sich vornehmlich mit dem italienischen Nationaldichter Dante Alighieri (1265–1321) beschäftigte. Im Leipziger Brockhaus-Verlag erschienen dazu mehrere Bücher von ihm – auf italienisch!

„Sein Kommentar zur ‚La divina commedia‘ (4 Bde., 1874–90) gilt bis heute als Meisterwerk der Interpretation und ‚Dante in Germania‘ (2 Bde., 1881), eine ausformulierte und kommentierte Bibliographie, ist immer noch ein Standardwerk. S., der fünf dt. und eine ital. Dantebiographie vorlegte, stand in der ital. Danteforschung lange im Verdacht, Vertreter einer ‚dt.‘ Danteauslegung zu sein“, schreibt Erich Wenneker in der Neuen Deutschen Biographie 22 (2005), S. 484-485 (Online-Version) über Scartazzini.

Aufgrund des historischen Kuverts und vor allem der aufgeklebten Marke kam unser Sammler auf den naheliegenden Gedanken, hier hätte ein Transport mit gefiederten Boten stattgefunden. Allerdings stellte sich recht schnell heraus, dass das nicht stimmte: „Bei der Taubenpost an Brockhaus bin ich wohl einem Irrtum aufgesessen. Ich wandte mich zur Abklärung an den Schweizer Ganzsachen-Verband und durfte sogleich mit dem Präsidenten des Vereins in Verbindung treten. Der empfahl mir eine Festschrift aus dem Jahr 2017, ‚Entstehung und Ende der Tüblibriefe‘.“ Für Brieftauben gab es in der – abgesehen vom Symbol auf der Marke – leider keine Anhaltspunkte, schade.

Zuguterletzt rücken wir die Straße Großer Brockhaus ins Licht unserer Öffentlichkeit. In der befinden sich das Penta-Hotel sowie ein Denkmal für den obengenannten Verlagsgründer. Leipzig.de informiert: „Großer Brockhaus: Name eines vom Brockhaus-Verlag herausgegeben Lexikons. Der Brockhaus-Verlag, gegründet 1805, war (mit Unterbrechungen) von 1818 bis 2009 in Leipzig in unmittelbarer Nähe der Straße ansässig. Mit der Bebauung des Quartiers in den 1990er Jahren entstand die Verbindungsstraße zwischen Quer- und Salomonstraße. Nachdem zunächst von einer Benennung abgesehen wurde, kam es auf Antrag der Anlieger zur Namensgebung.“

siehe auch unsere Beiträge „Wer könnte das sein?“ (September 2023) und „Wo ist das ‚Trinkende Mädchen‘ aus Specks Hof?“ (November 2023)

Tüblipost = Taubenpost