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Peggy spricht vom Tod

Peggy Burian

Peggy Burian sieht Märchen als Geschichten für Erwachsene an, die so verschlüsselt sind, dass auch Kinder sie hören können. Am 14. November 2017 wird sie uns in der Frauenkultur (Windscheidstraße 51) einige erzählen und dabei auch auf Gevatter Tod zu sprechen kommen, denn die Soziologin und Ethnologin ist nicht nur als Märchenerzählerin tätig, sondern ebenso als Trauerrednerin und Trauerbegleiterin.

Aufgewachsen in Thüringen, studierte Peggy in Magdeburg und kam von dort über ihren Freund nach Leipzig. Heute wohnt sie in der Südvorstadt und sagt, dass zwar Totenköpfe optisch allpräsent wären – auf T-Shirts, an Unterarmen oder auf CD-Hüllen -, der Tod an sich aber so tabuisiert sei, dass uns die Worte fehlen.

Allerdings verfügten schon unsere Vorfahren über ein Repertoire an Verhaltensweisen, um „diese chaotische Zeit“ zu strukturieren. „Wenn jemand stirbt, bricht für die Hinterbliebenen ja die Welt zusammen.“ Darum wurde der Tod früher in der Gemeinschaft bewältigt, Riten und Bräuche waren die „Geländer“, die einen durch die Trauerzeit führten. Heute hat, wer kirchlich ist, im Todesfalle Ansprechpartner. Glücklich schätzen darf sich, wen eine funktionierende Familie umgibt.

Peggy möchte in der Frauenkultur vorstellen, was weltweit Brauch ist, zum Beispiel die Augen der Toten zu schließen, damit deren Blick niemanden mitziehen könne, und auch den Mund, damit die Seele, die den Körper durch diese Öffnung verlassen hat, nicht dorthin zurückkehren kann. Wenn doch, hätten wir einen Wiedergänger

Warum werden Verstorbene mit den Füßen voran aus dem Haus getragen? Peggy wird es verraten – und Märchen erzählen. Die nämlich sind Brücken, Alltagshilfen sowie gespeicherte und auf den Punkt gebrachte Menschheitserfahrungen. Da gibt es unter anderem das litauische Märchen von der jungen (!) Frau Holle. Deren Geliebter, der Junker Tod, soll eine alte Frau in Holles (Toten-)Reich holen …

Vor Jahren trampte Peggy durch Kanada und traf dabei einen Inuit-Richter. Mit dem sprach sie über kanadisches und das Inuit-Recht, und er sagte, Märchen legten das Bewusstsein für Gut und Böse fest. Kurz darauf erlebte sie eine faszinierende Märchenerzählerin und wollte selber eine werden. Märchen können trösten, Trauerbegleitung kann das auch.

Vor 100, 200 Jahren ging man hierzulande noch anders mit dem Tod um, sagt Peggy. Man hielt zum Beispiel eine dreitägige Totenwache, alle kamen vorbei, um sich zu verabschieden, es wurden Schnäpse getrunken und Erinnerungen an den Verstorbenen ausgetauscht. So wurde man sich der schmerzlichen Tatsache allmählich bewusst, begriff und verarbeitete die Situation. Das hatte seinen Sinn und fehlt heute zum Teil.

Volksmärchen gehen (im Gegensatz zu Kunstmärchen) übrigens immer gut aus, sogar wenn in ihnen Gevatter Tod zum Patenonkel wird und mal am Kopf- und mal am Fußende eines Krankenbettes steht, erklärt Peggy und verweist außerdem auf das Volkslied „Kommt ein Vogel geflogen“. Woher kommt er geflogen? Aus dem Totenreich. „Und ich kann ihn nicht begleiten, weil ich hier bleiben muss“ – unter den Lebenden. Am 14. November 2017 gibt es mehr davon, die musikalische Begleitung übernimmt Claudia Herold von der Leipziger Band Rada Synergica.

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