(A.H.) Auf der informativen Facebook-Seite „Leipzig unsere Stadt, damals wie heute“ fanden wir vor einiger Zeit einen verdeckten Aufruf zum Verfassen von Episoden mit Lokalkolorit. Dort hatte Suzie Suz am 17. Juli 2021 das Bild einer alten Mineralwasserflasche eingestellt, mit der Bitte, besagter Flasche eine passende Erzählung hinzuzufügen. Der Wunsch von Suzie geht hiermit in Erfüllung.
Schauen wir uns die Flasche genauer an, wird schnell klar, wir müssen uns auf die Suche nach Richard Albin Penndorf begeben. Der taucht im Leipziger Adressbuch erstmals 1884 auf und wohnte daher seit mindestens 1883 in Leipzig. In der Marschnerstraße 6 logierte er samt Familie im Parterre. Dieses 1875 erbaute Haus gehörte bis 1883 Seilermeister Albin Bernhard Penndorf, anschließen war Richard Albin Penndorf der dortige Hausbesitzer. Der Verwandtschaftsgrad der beiden bleibt vorerst nebulös. Vielleicht Vater und Sohn? Penndorf verkaufte 1898 sein Wohngebäude im Bachviertel, der Bau ist erhalten und saniert.
Im Jahr 1885 gründete Penndorf eine Bierhandlung, die Verkaufsräume mietet er im Souterrain der Münzgasse 16 an. Dann musste was Eigenes her. 1889 erwarb unser Hopfentee-Hehler die 1884 errichtete Immobilie Sidonienstraße 57 (heute Paul-Gruner-Straße) und verlagerte ein Jahr später sein Geschäft dorthin. Im Hinterhof befand sich ein zweigeschossiges Seitengebäude, welches Maler Förste und Tischler Heinzel in Beschlag hatten. Beide dachten gar nicht daran, ihre Pinsel und Hobel fallen zu lassen und werkelten dort unverdrossen weiter. Später nutzte Klempnermeister Wiegner bis 1901 die beiden Etagen. Wo hat Penndorf dann sein Bier verkauft?
Es mag gut vorstellbar sein, wie die Flaschen über den Hof klapperten und die Anwohnerschaft nervten. Das Adressbuch geht mit dieser Annahme jedoch nicht mit und suggeriert nach 1901 eine Wohnraumnutzung im Hintergebäude. Wo genau der Bierverkauf daher stattfand, kann heute nur gemutmaßt werden. Die bekannten Straßenansichten des Hauses Sidonienstraße 57 lassen keine gewerbliche Nutzung im Erdgeschoss erkennen. Vielleicht war doch alles in den Hintergebäuden angesiedelt und wurde im Adressbuch so nur nicht näher dargestellt. Oder doch im Parterre des Vorderhauses?
Um 1904 kam Penndorf auf die Idee, Wasser mittels Kohlensäure anzureichern. Von nun an firmierte er als Bierhandlung und Mineralwasserfabrik. Vermutlich entstanden ab diesem Zeitpunkt auch die Prägedruckflaschen der Firma Penndorf für ihre Quellprodukte. Doch damit nicht genug, auch die Gose-Gourmets im Quartier bedurften einer adäquaten Elixierversorgung. Seit mindestens 1907 wurde dazu eine Hauptniederlage der Döllnitzer Rittergutsgose eingerichtet. Goseanna!
Der agile Unternehmer Penndorf erweiterte um 1912 sein Betriebs-Portefeuille und erwarb die Firma M.P. Lindner aus der Dufourstraße 38. Die Handelsvertretung veräußerte u.a. Konserven, Marmeladen, Margarine und Pudding-Backpulver. Somit war Penndorf nun auch ein bisschen Lebensmittel-Großhändler. Die Nährmittel-Liaison wurde 1919 beendet. Um 1920 schwand auch Penndorfs Gerstensaft-Engagement und er verkaufte sein Sprudel-Imperium an Carl Nitzsche. Letzterer hielt noch bis 1921 durch, dann versiegten die Quellen der Labsale in der Sidonienstraße 57 für immer.
Als Privatier residierte Penndorf von 1920 bis 1937 im Erdgeschoss und genoss vermutlich den Ruhestand. Die Lebensmittel-Großhandlung in der Dufourstraße 38 betrieb nun Robert Rausch. Möglicherweise bestand eine Verbindung zwischen Penndorf und Rausch, vielleicht sogar aus den Margarine-und-Pudding-Zeiten Ende der 1910er Jahre. Rausch war 1925 Hausverwalter in der Sidonienstraße 57, nach Penndorfs Entschwinden aus dem Adressbuch im Jahr 1938 war die ebenfalls in der Dufourstraße 38 wohnende Paula Rausch Hauseigentümerin bis nach 1943. Sicher alles kein Zufall. Wie auch immer, das Haus samt Hintergebäuden hat die Wirren der Zeit überlebt und präsentiert sich heute auch dank Denkmalsstatus in einem top sanierten Zustand.
Penndorfs letzter Wille soll die Versendung einer Flaschenpost via Pleiße, Elster, Saale, Elbe nach Rügen gewesen sein. Dazu soll ein alter Glaskörper verwendet worden sein, Penndorfs letzte Flasche! Schön, dass die bei Suzie Suz wieder aufgetaucht ist! (Für die Authentizität des Epilogs können wir uns leider nicht verbürgen. Für den Rest schon.)
Herzlichen Dank an Suzie (Bilder) und Andreas (Text)!