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Sein oder Nichtsein am Roßplatz

„Sein oder Nichtsein – Suizid in Wissenschaft und Kunst“ heißt der Sammelband, dessen Premiere am 10. September ab 18.30 Uhr in den Räumen des VEID e.V. am Roßplatz 8a begangen wird. Mit Beiträgen sind im Buch u.a. die Leipziger Christian von Aster und Jeannine Völkel (Jea Pics) vertreten, die Idee für das umfangreiche Werk kam Herausgeberin Katherina Heinrichs während ihrer Zeit an der Uni Leipzig.

Suizid, Selbstmord, Freitod? Sünde, Straftat, Tabu? – fragt die junge Wissenschaftlerin und ordnet ein: „Der ‚Freitod‘ unterstreicht das gesellschaftliche Unvermögen, über die wahre Natur des Suizids zu reflektieren – der Begriff verharmlost den Akt nicht nur, sondern ist in hohem Maße irreführend. Ein Großteil der Suizident*innen begibt sich vor dem Hintergrund einer schweren psychischen Erkrankung und damit einhergehender Verzweiflung in die selbstschädigende Situation, sodass ihr Verhalten in diesem Moment nicht als ‚frei‘ bezeichnet werden kann. Diesen Menschen gilt es zu helfen. Sie benötigen die medizinische Behandlung und psychosoziale Unterstützung unseres Versorgungssystems, aber auch das Verständnis und die Zugewandtheit der Gesellschaft. Das Tabu muss durchbrochen werden. Dieses Buch soll einen kleinen Beitrag dazu leisten.“

„Sein oder Nichtsein“ erzählt vom Suizid in der griechisch-römischen Antike sowie aus der japanischen Geschichte von den 47 herrenlosen Kriegern (Rônin), welche zu Beginn des 18. Jahrhundert ihren zum Selbstmord (Seppuku) gezwungenen Lehnsherren (Daimyo) rächen. Dem daran Schuldigen, einem hohen Hofbeamten, schlugen sie den Kopf ab, ergaben sich danach und begingen ebenfalls Seppuku.

Die Autorinnen und Autoren befassen sich wissenschaftlich und künstlerisch mit dem traurigen Thema, so geht es u.a. um die Ästhetisierung des Suizids, aber z.B. auch um die Gefährdung in der Gothic-Szene. In einem Beitrag der Herausgeberin Katherina Heinrichs (Psychologin, Gesundheitswissenschaftlerin, arbeitet heute an der Charité) lesen wir von einer Studie aus England, die nahelegt, „dass die Szene das Risiko für eine Depression erhöht“, eine niederländische Untersuchung bestätigte das. Mitherausgeber Jörg Vögele, Professor für Geschichte in Düsseldorf, führt unabhängig davon Gründe für Suizide auf: Wirtschaftliche Not, unheilbare Krankheit, Schwermut, Liebeskummer … All das geschieht sachlich, informativ und Hilfe anbietend.

Christian von Aster hat eine starke Geschichte beigesteuert. Weitere Promis im Buch sind Luci van Org, die Schirmfrau des VEID e.V., Michael Sele von der Band The Beauty of Gemina, Benjamin Schmidt von Spinne am Abend sowie Alexander „Asp“ Spreng, der seit Jahren künstlerisch mit Katherina Heinrichs zusammenarbeitet und sich u.a. auch schon mit dem Hotel Astoria beschäftigt hat („Verfallen“ – nicht im Buch enthalten, dafür ein wütender Text namens „Wie könnt Ihr es wagen?“).

Jea Pics (Jeannine Völkel) aus Leipzig zeigt in „Sein oder Nichtsein“ beeindruckend dunkle Bilder, u.a. mit „My Face Without Makeup“ das höchste Gebäude des Gurken-Schumann-Ensembles. Die Künstlerin, für die das Wave-Gotik-Treffen ein Herzensthema darstellt, ist mit ihren Werken regelmäßig in der Beuteltier Art Galerie in der Könneritzstraße zugegen und versteigert am Premierenabend Kunstdrucke zugunsten des VEID e.V.. Katherina Heinrichs, Luci van Org und Benjamin Schmidt werden ebenfalls anwesend sein und aus ihren Beiträgen lesen.

Damit Ihr nicht so lange sucht wie wir: Die 8a findet Ihr hinter der Ringbebauung, fast schon in der Seeburgstraße (Foto ganz oben, hinterm Baum).
www.veid.de

siehe auch unsere Beiträge „Peggy spricht vom Tod“ (November 2017), „Jules Verne bei Schrebers“ (Mai 2018) und „Ein Beuteltier für Einsteiger“ (September 2018)