Vor ziemlich genau vier Monaten stellten wir Euch eine Nachmittagsaufgabe: „Für alle, die ihre Kindheit nicht in Leipzig verbracht haben: Wie heißt dieses Gebäckstück in hiesiger Mundart?“ Circa 95 Prozent der Antworten klangen in etwa so wie die von Michael: Mürbchen heißt das bei uns in Leipzig. Aber Anja zum Beispiel schrieb: Sandtaler. Das Wort kennen wir auch, sind jedoch eindeutig Michas Meinung: Die Dinger werden hier in der Stadt Mürbchen genannt (gesprochen: Mörbsch’n).
Wir waren bislang in den Bäckereien Sperling (Creuzigerstraße), Kleinert (William-Zipperer-Straße), Lotzmann (Karl-Liebknecht-Straße), Jänig (Blümnerstraße), Jackisch (Henricistraße), Krätzer (Georg-Schwarz-Straße), Brause (Sellerhäuser Straße) und Wissel (Oststraße) und zahlten zwischen 45 Cent und einem Euro für ein Mürbchen. Aussehen, Größe und Zutaten variierten, doch gut geschmeckt haben sie alle! Ihr versorgtet uns mit Tipps und Zusatztipps und ließet Erinnerungen wieder aufleben.
Heike: Ich liebe diese Mürbchen! Silvia: Mürbchen = Kindheit. Birgit: Ich mag sie einfach. Am liebsten wenn sie einen knusprigen Zuckerrand haben. Mürbchen, nicht Sandtaler – neumodischer Schnickschnack. Michael: Genau als Mürbchen kenne ich das auch, Sandtaler klingt wie aus dem Sandkasten! Mara: Ein paar Kilometer weiter östlich hießen die Dinger schon immer Sandtaler, auch zu DDR-Zeiten. So neumodisch ist das also gar nicht. Wir zu Mara: Da hast Du schon recht. Uns geht es aber um die Leipziger Stadtsprache und in der heißen Sandtaler Mürbchen …
Anne fragte nach dem Durchmesser. Wir nahmen den Zollstock zur Hand, 10 x 8 cm (Buttermandelmürbchen bei Brause) bzw. 8 x 6 cm (klassisches Mürbchen bei Wissel). Beide waren nicht richtig rund, eher oval. Zu Wissel meinte Heike: Hier gibt’s das beste Mischbrot der Welt. Und Jenny schaute gedanklich nach hinten: Da war ich immer mit meiner Omi gewesen und habe Mürbchen bekommen. Schön wäre es, wenn man die Zeit zurückdrehen könnte. – Bei Wissel kann man sich zumindest optisch sehr gut in die Vergangenheit versetzen. Der Laden sieht wunderbar alt aus und ist einer der wenigen mit wahrscheinlich originaler Einrichtung.
Zu Krätzer (ursprünglich aus Mockau) schrieb Dana: Krätzer ist, seit ich denken kann, der beste Bäcker in Mockau. Da hießen die Mürbchen auch noch Mürbchen. Als Stifte nach der Schule für 50 Pfennig ein halbes Weißbrot mit der Freundin gekauft, längs durchschneiden lassen und dann erst das weiche Innere und dann die knusprige Rinde gemümmelt. Hach, Kindheitserinnerungen … Darauf erwiderten wir: Sehr tolle Erinnerung! Wir haben uns manchmal ein halbes Mischbrot und eine Tüte Sauerkraut geleistet, aber zum Beispiel die Brötchen vom Bäcker aus der Feuerbachstraße genauso gegessen wie Ihr: Erst innen, dann außen!
Nach den Erinnerungen folgen nun noch ein paar Empfehlungen. „Die allerallerallerbesten Mürbchen gibt’s beim Wisselbäcker“, ist sich Frau Panomi sicher. Nicole bestätigt das. Tanja empfindet die Bäckerei Jackisch als beste Bäckerei in Leipzig. Kathleen sekundiert: Sehr lecker. Eddy meint: Lotzmanns Brötchen sind die besten! Martina hingegen: Bäckerei Sperling ist absolut nicht zu toppen!
Tilo denkt, dass es bei Jänig das beste Mischbrot in L.E. gibt. Daniel schreibt über den selben Laden: Die besten Ossi-Brötchen der Stadt und lecker Kuchen wie früher. Claudia weiß: Die Bäckerei Brause in Anger-Crottendorf backt ebenfalls wie früher. Megalecker auch die Mürbchen! Und noch einmal der Daniel, er legt uns die Bäckerei Freiberger in der Huttenstraße ans Herz. Auf jeden Fall setzen wir unsere Tour von Bäcker zu Bäcker fort und kaufen und kosten weiter!
Schließlich fragt Marcel etwas ganz anderes: Gibt es eigentlich irgendwo in Leipzig eine Bäckerei, die noch Zuckerkuchen hat? Würde ich soooo gerne mal wieder essen. Wibke hilft: Bäckerei & Konditorei Göbecke, Hans-Poeche-Straße. Super! Danke! Jetzt könnten wir ein Mürbchen vertragen …
Nachtrag im November 2019: Wir waren im Täubchenweg in der Bäckerei Gey (gegenüber der ehemaligen Four Rooms). Die Mürbchen sind super!
Nachtrag im Dezember 2019: Diesmal waren wir in Gohlis in der Bäckerei Heinrich (Möckernsche / Ecke Stockstraße) und in unserer Schwesterstadt Halle in der Bäckerei König (Südliche Innenstadt). Die Mürbchen kosteten hier wie dort 50 Cent pro Stück, in Halle hießen sie Sandtaler …
Nachtrag im Januar 2020: Mürbchen Nummer 12 gönnten wir uns in der Bäckerei Schladitz in der Georg-Schumann-Straße 124.
Nachtrag im Februar 2020: Für Mürbchen Nummer 13 waren wir in Wahren, kurz vorm dortigen Rathaus bei Bäcker Kulbe (Georg-Schumann-Straße 318). Einer unserer Leser, Klaus, schickte auf Facebook eine passende Erinnerung: „Bäckerei Kulbe – in unseren Kinderzeiten war das Geschäft in der Rosa-Luxemburg-Straße, Mohnschnecken und viele andere Köstlichkeiten. Leider war das Geld nach dem Krieg sehr knapp und es war immer ein Festtag, wenn die Eltern sich zum Kauf durchringen konnten.“ Danke! Wo in der Rosa-Luxemburg-Straße, wollten wir noch wissen. „Stadtauswärts, rechte Seite“, antwortete Klaus. +++ Wenige Tage später verschlug es uns nach Stötteritz. In der Bäckerei Weck (Arnoldstraße) erwarben wir Mürbchen 14a und 14b. Kurz danach nahmen wir Bäcker Lampe (Filiale Böhlitz-Ehrenberg) zwei „Mürbeteig-Taler“ ab, Nummer 15a und b.
Nachtrag am 28.02.2020: Freier Freitag! Heute hatten wir endlich Zeit, um Arnes Hinweis nachzugehen und bei Bäcker Freiberger in Großzschocher Mürbchen Nr. 16 zu erwischen, genauer gesagt ein riesiges Einzelstück (1,10 Euro) und eine Tüte mit zierlicheren Exemplaren. Danke, Arne! Auf dem Rückweg hielten wir in Kleinzschocher und schauten beim LVZ-bekannten Bäcker Kupfer (vormals Sperling) rein. Dort, noch bei Sperling, hatten wir Mürbchen Nr. 1 erworben, diesmal kauften wir u.a. ganz frische Doppelbrötchen und Honig aus eigener Ernte. Danke, LVZ!
Nachtrag im Mai 2020: An der Schule in der Husemannstraße (Nähe Kohlgartenstraße – für uns Reudnitz) konnten wir uns mit Mürbchen Nr. 17a und b eindecken. Danke, Bäcker Seifert!
Nachtrag im Juni 2020: Was haben wir im Urlaub gelernt? Dass das Mürbchen in Güstrow als Hanseat bezeichnet wird!
Nachtrag im Juli 2020: Der Zufall verschlug uns an den Torgauer Platz, wo wir eine Filiale von Bäcker Perduß entdeckten. Und schon hatten wir Mürbchen Nr. 18 in der Tüte!
Nachtrag im September 2020: In der Dieskaustraße gibt es Mürbchen aus Knauthain, Bäcker Hickmann teilt sich mit Fleischer Opitz (bei unserem Besuch an dieser Stelle inaktiv) ein Ladenlokal. Wir nahmen ein Beutelchen mit – Nr. 19!
Nachtrag im Januar 2021: Mürbchen Nr. 20! Bei Bäcker Hantschke in der Mockauer Straße konnten wir zwischen drei Varianten wählen, Mürbchen, Mürbchen mit Schoko und – noch nie gesehen – Mürbchen mit Smarties! Mürbchen Nr. 21 holten wir bei Bäcker Geisler in Lindenthal. 20 Cent kostet hier das Standardstück, das bedeutet Preisführerschaft!
Nachtrag im Februar 2021: Tour de Mürbchen, Station 22! In der Bäckerei Angermann in Burghausen (am Elster-Saale-Kanal) bekommt Ihr die Mürbchen im Dreierpack für 1,20 Euro.
Nachtrag im März 2021: Die bislang kleinsten Mürbchen erstanden wir bei Bäcker Plötz in der Weidlichstraße. Wenn uns die Erinnerung nicht täuscht, wogen die drei niedlichen Dinger zusammen 40 Gramm. Sie werden nach Gewicht verkauft. Zum Größenvergleich haben wir eine Streichholzschachtel (ist wirklich eine) ins Bild gelegt. Das war Nr. 23!
Nachtrag im April 2021: Bei Sperling-Nachfolger Kupfer (Creuzigerstraße) hatten wir noch keine Mürbchen gekauft. Jetzt aber – Nr. 24! Ganz kurz danach schauten wir bei Bäcker Wöllner in der Leipziger Straße (Böhlitz-Ehrenberg) vorbei und nahmen eine Tüte Minimürbchen (Nr. 25) mit in den Garten.
Nachtrag im Juli 2021: Im Eiscafé Sabine in der Leinestraße holten wir Mürbchen Nr. 26, siehe auch unseren Beitrag „Stillgelegter Friedhof Nr. 2“ (Juli 2021).
Nachtrag im August 2021: Das wollten wir schon lange: Mürbchen von den jungen Bäcker-Brüdern Eßrich! Sogar am Stammsitz in Liebertwolkwitz sind wir deswegen schon gewesen, da gab es aber gerade keine. In der neuen Filiale in der Coppistraße hatten wir nun Glück – Mürbchen Nr. 27.
Nachtrag im November 2021: Nr. 28 sind die Minimürbchen (alias Teegebäck) aus der Bäckerei Pflügner in der Karl-Liebknecht-Straße.
Nachtrag im Februar 2022: Bei Jahnsmüller in der Mockauer Oelßnerstraße dachten wir schon, wir hätten dreieckige Mürbchen erspäht, das aber waren Nussecken. Mürbchen gab’s auch – Nr. 29! (Kurz zuvor hatten wir Mürbchen von Wikana aus Wittenberg, aber die zählen nicht mit.) +++ Außerdem ließ uns Joachim eine Erinnerung zukommen: „Ich wohnte als Kind mit meinen Eltern in der Theodor-Neubauer-Straße, somit waren wir Stammkunden bei Bäcker Brause. Weihnachten ließen meine Eltern dort den selbstgemachten Stollenteig backen. Wenn ich heute in der Nähe bin, kaufe ich immer noch gern die kleinen länglichen Brötchen. Ich nehme dann meist zehn Knüppel mit, die Bezeichnung kenne ich von keinem anderen Bäcker.“ Danke!!! +++ Im Februar 2024 gab es Jahnsmüller nicht mehr, stattdessen nutzt nun Veit’s Backparadies den Laden in Mockau.
Nachtrag im März 2022: Das Jubiläumsmürbchen, Nr. 30, gönnten wir uns in Münchs Backstube (Merseburger / Ecke Hauschildstraße). Dort ist es als Sandtaler ausgeschildert, was noch vor wenigen Jahren unseren trotzigen Nichtkauf zur Folge gehabt hätte. Nun aber wollen wir uns selbst zur Altersmilde erziehen und vermeiden solche Reaktionen. Laut Papiertüte backen die Münchs seit 1900 in Leisnig und betreiben darüber hinaus seit 2003 eine Konditorei in Radebeul. In Lindenau sind sie auch schon seit ein paar Jahren …
Nachtrag im Juni 2023: Mürbchen Nr. 31 erstanden wir bei Bäcker Dünkel in der Kurt-Eisner- / Ecke Kochstraße. Der Verkäufer wunderte sich über unseren Fotowunsch, erst recht, weil einen Tag vorher jemand den Prasselkuchen knipsen wollte. Bestimmt ein Blogger-Kollege …
Nachtrag am 01.08.2023: Als wir letzten Sonntag nachsehen wollten, ob es das Café am Lindenauer Hafen noch gibt (leider nicht mehr), entdeckten wir unweit davon die Backstube Hanisch. Heute saßen wir dort bei Kaffee und Kuchen und fragten den sympathischen Bäckermeister ein wenig aus. Der Ex-Waldheimer zog wie auf der Walz durch mehrere Bäckereien und arbeitete auch in Griechenland und der Schweiz in seinem Metier, ehe er sich im September 2022 in der Hafenstraße 15 selbständig machte. Sein Schwarz-Weiß-Gebäck lassen wir als Mürbchen Nr. 32 gelten …
Nachtrag im Januar 2024: Sascha hat uns aus der Bäckerei Renelt Mürbchen Nr. 33 mitgebracht. Super! Von diesem Laden in der Naumburger Straße schwärmen Annett und Ute schon lange. Außerdem waren wir mal wieder bei Bäcker Kupfer in der Creuzigerstraße und ließen eine Tüte Minimürbchen mitgehen – selbstverständlich gegen Bezahlung.
Nachtrag im Mai 2024: Mürbchen Nr. 34 holten wir uns bei Bäcker Friedemann in der Riemannstraße, als wir nach Jahren mal wieder in der gegenüber ansässigen Comic Combo nach Obelix, Pokémon und Thorgal schauten sowie leider erfolglos nach Band 4 der „Feuer von Askell“ fragten.