Historie Leute

Stern-Brot aus Eutritzsch II

Stern-Brot aus Eutritzsch II
Stern-Brot-Lieferwagen
Stern-Brot-Lieferwagen

Die Geschichte der Leipziger Brotfabrik Gebrüder Joachim, Pätz & Co. ist umfangreich, zum Glück gibt es jede Menge historisches Material. „Vom Landbäcker Carl Jacob Joachim um das Jahr 1768 entwickelte sich die Bäckerei in gerader Linie … zu dem heutigen Werk der Leipziger Brotfabrik, Gebrüder Joachim, Pätz & Co.“, heißt es in den 1920ern oder 1930ern. Die für unser Thema entscheidenden Männer, weil Brotfabrik-Mitbegründer sind Carl Friedrich Joachim (= Fritz Joachim, 1848-1937) und Georg Max Joachim (= Max Joachim, 1850-1922).

Über Ersteren lesen wir in einem Nachruf: „Geboren am 14. April 1848 als Sohn des Bäckermeisters Carl Friedrich Joachim in Leipzig-Reudnitz, wandte er sich früh dem väterlichen Beruf zu. … 27 Jahre alt übernahm er 1875 mit seinem jüngeren Bruder Max das elterliche Geschäft“. Die Traueranzeige teilt mit: „Herr Stadtrat Carl Friedrich Joachim schloß heute morgen die Augen zum ewigen Schlaf … Leipzig N 21 am 31. Juli 1937“. N 21 ist die alte Postleitzahl von Eutritzsch. Auf den Stadtrat kommen wir zurück.

Eine weitere Traueranzeige, 15 Jahre früher, findet folgende Worte über den Jüngeren: „Brotfabrikant Max Joachim ist am 3. August (1922) im Alter von 72 Jahren gestorben. Er und sein Bruder, der Stadtrat Fritz Joachim, sind die eigentlichen Gründer der bekannten Leipziger Brotfabrik Gebrüder Joachim, Pätz & Co., die sich heute im Besitze der Söhne der genannten beiden ehemaligen Bäckermeister befindet. In Reudnitz hatten sie das Bäckereigeschäft von ihrem Vater übernommen und hier sind die Anfänge zur Errichtung der späteren Brotfabrik zu suchen. Max Joachim war eine in Leipzig bekannte Persönlichkeit voll Frohsinn und Arbeitsfreude. Er liebte es, nicht viel Worte zu machen, tat aber im Stillen gern wohl. Vor mehreren Jahren zog er sich, ebenso wie sein Bruder Fritz, ins Privatleben zurück. Trauerfeier und Einäscherung finden am 7. August um 2 Uhr auf dem Südfriedhof statt.“

Eine Eigenwerbung der Brotfabrik, vermutlich aus den 1930er Jahren, gibt bekannt: „Der Verkauf des Stern-Brotes wird in ca. 2300 Lebensmittelgeschäften sowie in eigenen Filialen in Leipzig durchgeführt“. Ebenso interessant ist dieser Appell an die Vernunft: „Deine Brotfabrik sorgt für bekömmliches Brot – beschäftigt viele gelernte Facharbeiter – gibt Familien Lebensmöglichkeit – arbeitet nach den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen in sauberen hygienischen Räumen. Sorge Du (dafür), daß kein Stern-Brot umkommt!“

Zurück zum Stadtrat: Fritz Joachim saß schon 1892 im Alter von 34 Jahren im Stadtverordneten-Kollegium von Leipzig, 1913 wurde er dann ins Ratskollegium der Stadt gewählt. „In den schweren Kriegs- und Nachkriegsjahren“ – gemeint ist der Erste Weltkrieg – „wirkte Stadtrat Joachim unermüdlich in den verschiedensten wirtschaftlichen Kommissionen und Ausschüssen seiner Vaterstadt, u.a. war ihm die oberste Leitung über die Mehlverteilung im gesamten Leipziger Stadtgebiet übertragen.“ (zitiert aus der Mehl und Brot vom 06.08.1937, Wochenzeitschrift für Wissenschaft, Technik und Wirtschaft der Bäckerei)

Die Gebrüder Joachim starteten übrigens in der Kohlgartenstraße 65 (damals Reudnitz – seit der Umnummerierung von 1895 ist das die Kohlgartenstraße 18), Kompagnon Pätz buk sein Brot zunächst in Leipzig-Anger (in der Breiten Straße), bei Voigtländer & Kittler sind wir noch ahnungslos*. Dafür blätterte Julius für uns im Fernsprechbuch des Bezirks Leipzig von 1973 und fand folgendes:
Backwarenkombinat Leipzig VEB
Stammbetr. Lzg 21 Zschortauer Str. 50 u. Schönefelder Str. 6

Vielen herzlichen Dank an alle Beteiligten!

Das historische Bildmaterial bekamen wir von Brigitte Hungerland und Andreas Kripp, Nachfahren der Gebrüder Joachim, zur Verfügung gestellt.

* Nachtrag von Andreas: Die Leipziger Brotfabrik Voigtländer & Kittler befand sich in der Nonnenmühlgasse 12, sie muss sich dort 1881 angesiedelt haben. J.B. Kittler und R. Voigtländer waren zwei Kaufleute aus Dresden, daher findet man sie nicht in früheren Ausgaben Leipziger Adressbücher. Ab 1883 wird die Firma im Hintergebäude der Nonnenmühlgasse 12 erwähnt, im Vorderhaus parterre befand sich das Kontor. Man firmierte auch als Roggenbrot-Dampfbäckerei. 1894 verfügte die Bäckerei über zehn Mitarbeiter und eine Dampfmaschine von 9 PS, Inhaber war da schon Carl Richard Otto Glanzberg (ein späterer Stern-Brot-Mitbesitzer). 1898 wird im Häuserverzeichnis des Adressbuchs die Leipziger Brotbäckerei Gebr. Joachim, Pätz & Co. erwähnt, der Wechsel erfolgte somit im Laufe des Jahres 1897. 1899 wird in der Nonnenmühlgasse 12 keine Bäckerei mehr erwähnt, von da an nutzte die später in Plagwitz bekannte Eisenhandlung C.F. Weithas Nachf. die Räumlichkeiten über viele Jahre. Das Gebäude wurde im Zweiten Weltkrieg durch Bomben vollständig zerstört.

Nachtrag II: Auf dem Blog wortblende erschien am 29.01.2017 eine „Ode an die Brot- und Kuchenbäcker zu Reudnitz“. Das ist die Vorgeschichte der Stern-Brot-Bäckerei, speziell auf die Familie Joachim bezogen. Tolle Sache!

Nachtrag III: Am 28.12.2017 ging bei uns (sowie bei Wortblende-Harald) eine aufschlussreiche Mail von Martin Raabe ein. „Sie schreiben unter anderem über die Leipziger Brotfabrik Gebr. Joachim, Pätz und Co. Der Name Pätz geht auf meinen Urgroßvater Max Pätz zurück. Er lebte von 1859 bis 1904. Er hatte von seinem Onkel Wilhelm Pätz in Leipzig-Anger eine Bäckerei erworben. In unserer Familie wurde berichtet, dass er sich 1897 dann mit den Gebr. Joachim, die ihre Bäckerei in Reudnitz hatten, zusammengetan hat. Dabei wurden die kleinen Backstuben aufgegeben und das große Werk in Eutritzsch in der Schönefelder Straße errichtet. Dort im Wohnhaus neben dem Werk ist auch meine Großmutter Lotte Raabe geb. Pätz zur Welt gekommen. Da Max Pätz 1904 nach einem Herzinfarkt verstorben ist, ließ sich seine Frau Martha Pätz den Anteil der Familie an der Fabrik ausbezahlen. Allerdings scheint der Name Pätz noch sehr viel länger im Firmennamen geblieben zu sein.“ Danke für diese Informationen!