In Wahren waren wir bereits*, allerdings noch nie so weit hinten, d.h. in Richtung Westen, wo das riesige Bahnbetriebswerk Leipzig-Wahren im Dornröschenschlaf liegt. Von der S-Bahn oder der neuen B6 in Richtung Halle aus ahnt man, was einen erwartet. Fährt man mit dem Rad die Pater-Gordian-Straße (an der Grenze zu Lindenthal) immer geradeaus und hält sich an der Einmündung der Koloniestraße links, landet man unweigerlich am Bestimmungsort.
Plötzlich steht man zwischen Werkstätten und Verwaltungsgebäuden, Klinkerwänden sowie Sträuchern und Bäumen, die sich im Gelände ausbreiten. Zwei Türme, die aus einer Jules-Verne-Verfilmung stammen könnten, ragen zwischen wildem Gras und Goldruten empor. Es macht den Eindruck, als wäre hier ein ganzes Dorf Knall auf Fall verlassen wurden, ein Unglück geschehen, eine Zivilisation verschwunden.
„Zum Fahrplanwechsel 1995/96 im Mai 1995 ging ein weiteres Kapitel Wahrener Geschichte zu Ende. Nachdem im Dienstort Wahren bereits die Zentrale Beschaffungsstelle, der Jochbau und der Rangierbahnhof Leipzig-Wahren aufgelöst sind, ist nun auch das an diesem Standort nicht mehr benötigte Bahnbetriebswerk geschlossen“, klärt uns ein Blick ins „Viadukt“ (Bürgerzeitung für Möckern und Wahren) vom Juni 1995 auf. Dort erfahren wir auch, dass das Bahnbetriebswerk 90 Jahre zuvor eingeweiht worden war.
Und die Stadt Leipzig verkündet im Mai 2009: „Die im Zuge des Baus der B6 neu entstandene Zufahrt zum Unterwerk Leipzig-Wahren der Deutschen Bahn soll den Namen Jochmontagestraße bekommen. Damit soll an das ehemalige Bahnbetriebswerk Leipzig-Wahren erinnert werden, in dem Gleisjoche montiert wurden.“ Eine tolle Erinnerung! Die Straße ist eine entlegene Sackgasse hinter der LVZ-Druckerei. Sollte man da nicht lieber die alten Bauten nutzen? Sie sind ja noch da und eine Nutzung trüge dazu bei, sie zu erhalten …
* siehe u.a. unsere Beiträge „Die fehlende Zacke“ (März 2016) und „Verlassene Bahnhöfe IX“ (März 2014)