„Wie bitte?“, fragte die Initiative Leipziger Architekten bereits im Frühjahr 2016, offensichtlich nicht glücklich mit der Situation auf dem Leuschnerplatz und den städtischen Plänen zu deren Veränderung. Es gab eine Zusammenkunft mit Diskussion, es gibt eine interessante Dokumentensammlung dazu. Altes Bild- und Kartenmaterial vom (Leuschnerplatz-Vorläufer) Königsplatz, vom Panorama und von der Markthalle ist enthalten sowie selbstverständlich diverse Überlegungen für die Zukunft.
Die reichen zumindest theoretisch von der Idee, die riesige Fläche als solche zu belassen, bis hin zur vollständigen Bebauung. Im Großen und Ganzen herrscht Einigkeit über die räumliche Wiederherstellung des Königsplatzes (unter dem Namen Leuschnerplatz) und den hoffentlich endgültigen Verzicht auf das Freiheits- und Einheitsdenkmal.
Doch zurück zur Theorie, das erste Grundproblem lautet doch: Wollen wir den Leuschnerplatz überhaupt bebauen, ja oder nein? Im Falle von ja, in welchem Umfang und in welcher Art und Weise? So wie früher oder neu? Weitere Fragen wären: Was ist das Ziel der Bebauung? Geht es um Wohnungen, Räume öffentlicher Nutzung, Räume für die Wirtschaft? Und wie erreichen wir dieses Ziel – wer darf, wer soll bauen und unter Beachtung welcher Vorgaben?
Wir hörten von einem 40prozentigen Wohnanteil und komplett öffentlich genutzten Erdgeschossen. Die Leipziger Volkszeitung berichtete unlängst von Plänen zur Errichtung eines neuen Stadthauses (27.10.2016) sowie der Verlegung des Leibnizinstituts für Länderkunde von Paunsdorf auf das Areal an der Windmühlenstraße (26.10.2016). Das wären schon zwei große Blöcke, vorgesehen sind je nach Entwurf drei bis fünf, wovon einer zudem die Markthalle sein soll – da bleibt nicht mehr viel Spiel- für Wohnraum.
Schauen wir in die Dokumente: „Keine Fläche in Leipzig erfährt seit Jahren so eine breite Öffentlichkeit und wird so kontrovers diskutiert wie diese“ (Seite 2, Adalbert Haberbeck, Ronald R. Wanderer). Gemeint ist der Leuschnerplatz in seiner gegenwärtigen Ausdehnung vom Peterssteinweg bis zur Grünewaldstraße, vom Ring bis zur Windmühlenstraße.
Gab es „das Einbeziehen, das wirkliche Einbeziehen der Öffentlichkeit oder nur den Anschein davon?“, wird auf Seite 4 (Ronald R. Wanderer) gefragt und: „Wo ist die Idee?“ Uwe Brösdorf hält nichts von Eile, er meint unter anderem: „Zeitliche Verzögerungen in der Umsetzung sollten … kein Hindernis sein“ (S. 7). Und Dr. Thomas Nabert erklärt hinsichtlich einer in unserem Teil 1 aufgeworfenen Frage: „Die Geschichte kann man freilich nicht kopieren, aber man kann sich von ihr anregen lassen“ (S. 16).
Stichwort Geschichte: Wir sehen in den beigefügten Dokumenten, dass der Rundbau Panorama seinen Platz einst in etwa an der Stelle des heutigen Rundbaus Bowlingtreff einnahm. Wir lesen von der historischen Ortsbezeichnung Esplanade für einen Teil des Geländes und denken an die bis in die 1990er Jahre aktive Disko gleichen Namens auf der nördlichen (also falschen) Seite der Innenstadt. Und wir erfahren von einem Obstmarkt, den es mal gab – ungefähr zwischen der neuen katholischen Kirche und dem Neuen Rathaus.
Bei aller Vergangenheit, wenn, dann wird neu gebaut. Und unsere Bitte ist: Wenn neu gebaut wird, dann aufregend und verrückt wie das neue Hauptgebäude der Universität (mit dem wir uns zugegebenermaßen erst anfreunden mussten), dann einzigartig statt zeitgemäß, dann im Stile der Markthallen von Rotterdam und Sevilla, die in der Dokumentensammlung abgebildet sind.
Doch soweit ist die Angelegenheit noch gar nicht gediehen. Zunächst steht die Frage im Raum: Wieviel Leuschnerplatz wird bebaut und wieviel Leuschnerplatz bleibt frei? Die Initiative Leipziger Architekten favorisiert wie oben erwähnt die Variante, die sich an den Konturen des ehemaligen Königsplatzes orientiert (siehe das Oval auf unserem Kartenausschnitt von 1954).
Nachtrag Ende 2020: Im November 2020 diskutierten wir angeregt durch unseren Leser Christof auf Facebook über den einstigen Sinn und Zweck dieses Gebäudes auf dem in den letzten vier Jahren kaum veränderten Leuschnerplatz. Es fielen die Stichworte Umspannwerk, Lüftungsschacht und Lastenaufzug. Der Mehrheit der eingehenden Kommentare zufolge sehen wir einen (umgebauten) Rest der einstigen Aufzugsanlage der Leipziger Markthalle vor uns.
Deren unterirdische Kühlhäuser seien bis weit in die DDR-Zeit genutzt worden (Ingo), „Bananen für die Republik“ sollen hier gelagert haben (Julia), aber auch Möbel (Frank). Aged LE schickte einen Link zu Bildern, die in den Räumen unter der Erde entstanden sind. „Kühlraum für Butter u. Käse“ ist da unter anderem zu lesen sowie „Borsig“ und „Tür zu“. Herzlichen Dank an alle, die geholfen haben! Die Markthalle können wir dank Steffi in unserem Beitrag „Alte Bilder XI“ (Mai 2020) zeigen.