An einem Oktobertag, an dem die Mittagssonne nicht genau wusste, ob schon Herbst oder vielleicht doch noch Sommer war – sie schien wie in der Hauptsaison -, holten wir unsere Aluminiumrösser aus dem Verschlag und fuhren fröhlich pfeifend in den Leipziger Osten. Ziel war die Gartensparte „Neues Leben“, in deren Gaststätte einzukehren, uns eine Freundin ans Herz gelegt hatte.
Originellerweise war diese Freundin vor Jahren wegen ihres Studiums aus dem Saarland hierher in die Messestadt gekommen – am „Neuen Leben“ nämlich fiel uns die Sternsiedlung Ost mit ihren saarländischen Straßennamen auf.
Leider hatte sich im angesteuerten Lokal eine geschlossene Gesellschaft eingemietet, weswegen wir weiterfahren mussten. Wegweiser wiesen auf eine benachbarte Alternative hin, die „Osthöhe“. Aus der drangen auch Stimmen und Kneipenduft; was wir allerdings nicht fanden, war ein Freisitz und bei dem Wetter wollten wir nicht in die Bude.
Also machten wir kehrt und rollten zwischen Gärten, Siedlungshäusern und Wäldchen zurück zur Zweinaundorfer Straße, von der wir gekommen waren. Das „Immerglück“ lag uns zu nah an der Piste, auf der manche Autofahrer Gas wie die Sportler gaben. Aber wir wussten aus der Kindheit und von vorangegangenen Touren, dass sich an der ruhigen Theodor-Neubauer-Straße die Gartenanlagen nur so tummelten.
Zweimal rechts und einmal links, schon standen wir vor der „Grünen Aue“ und fanden eine Gartenkneipe wie aus dem Bilderbuch vor. Ein Freisitz in der Sonne, daneben eine große Wiese, gutgelaunte Gäste sowie ein Koch und ein Kellner, die mit Freundlich- und Gemütlichkeit aufwarteten.
Zur Mittagsstunde lief Radio Leipzig, wir schauten durch die umfangreiche Schnitzelkarte. Vielleicht zehn Varianten für je 6,40 Euro waren da aufgeführt, von Ankara, Balaton und Kalkutta bis hin zu Gärtnerin, Küchenmeister und Spreewälder Flunder (mit Meerrettichtunke und Gurke). Unser Problem: Wir hatten noch gar nicht soviel Hunger.
Darum wählten wir Crottendorfer Fleischspeise (ein kleines Schnitzel; es gab auch Crottendorfer Nudelschale und Reudnitzer Happen) sowie Grüne-Aue-Pfanne (Bratkartoffeln mit Raguot fin überbacken) aus der Rubrik Seniorenschmaus, dazu rote Limo (0,3 Liter für 1,50 Euro) und ein Tässchen Filterkaffee (ebenfalls 1,50). Das wird alles auch im Winterhalbjahr serviert, außer montags, da ist Ruhetag.
„Es war im Jahre 1906“, lasen wir an einer Wandzeitung in der hübschen Gaststube, „die Ideen eines Schreber hatten in Leipzig Beachtung gefunden. Immer mehr Gartenvereine entstanden. Am 16. Juni trafen sich 26 Gartenbesitzer in der Kantine von Herrn Emil Range zur Aussprache. Das Resultat war die Gründung des Gartenvereins ‚Grüne Aue‘.“
Und es gab noch mehr zu lesen! Im Schaukasten, drei Schritte von der Theke entfernt, wurde und wird zum Herbstfest geladen, für den 18. und 19. Oktober 2014 mit großem Feuer auf der Festwiese. Der erklärende Text verrät den von Party-Importen genervten Sachsen: „Wir haben keine Weisswurst und keine versalzenen Brezeln, aber einen Grillstand und feinen Kesselgulasch.“
Schließlich das noch: Auf dem Hinweg warfen wir einen Blick auf die sanierte Krause-Villa*, über die die Leipziger Volkszeitung am 26. September 2014 berichtete: 1906 gebaut, 2012 bis 2014 rekonstruiert, 14 Wohnungen befinden sich in ihr. Die Remise, welche einst die Pferde der Töchter Karl Krauses beherbergte, sei ebenfalls fertig, während am Torhaus vorn an der Zweinaundorfer noch gearbeitet werde. Wir haben’s gesehen …
* siehe auch unseren Beitrag „Die Zweinaundorfer II“ (Oktober 2013)