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Ein Name, zwei Schlösser

Ein Mann, zwei Schlösser
Schloss Plars in Südtirol (Foto: Familie Theiner)
Schloss Plars in Südtirol (Foto: Familie Theiner)

Es ist Urlaubszeit und Thomas aus Freital lässt uns ein Urlaubsrätsel zukommen. Mittelpunkt dessen ist der Leipziger Kaufmann Wilhelm D’Avignon. Der war vor 1880 Kurgast in Meran in Südtirol, welches damals zum Herrschaftsgebiet der K.u.K. Monarchie gehörte, d.h. zum Kaiserreich Österreich-Ungarn. D’Avignon muss sich während seiner Kuren sehr wohl gefühlt haben, denn 1880 erwarb er einen großen und alten Hof in Algund unweit von Meran.

„Der neue Eigentümer war ein reicher Mann aus Leipzig, der den Torgglerhof grundlegend veränderte“, informiert die Seite der heutigen Inhaber, Irene und Andreas Theiner, www.schlossplars.com. „Das Bauernhaus baute er zu einem Schloss um … Dort wo jetzt ein Park und die Villa der Architekten Gutweniger liegt, war ein ausgedehnter Weinacker. D’Avignon war überdies ein vornehmer und großzügiger Mensch. Er ließ die alte Landstraße durch Mitterplars an einigen Stellen auf seine Kosten erweitern. Dies wohl auch, damit seine Kutschengespanne besser passieren konnten. So wurde aus dem Torgglerbauernhof ein Schlosshof mit Park und Herrschaftsvilla. Im Jahre 1906 starb D’Avignon. Er wurde mit den Klängen der Algunder Musikkapelle aus dem Ort geleitet und in seine Heimat überführt. Seine Erben, die Frau und zwei Söhne, die sich hier in Plars nie so richtig einfühlten, somit nicht heimisch wurden, verkauften sodann ihr schönes Erbe.“

Thomas, der in diesem Schloss vor Jahren ein paar schöne Urlaubstage verbrachte, grübelt. Wie ist es den Nachkommen D’Avignons ergangen? Welchen Handel betrieben der Kaufmann und möglicherweise auch seine Kinder? Welche Spuren hat die Familie D’Avignon in Leipzig und anderswo hinterlassen? Gibt es in Leipzig eine Grabstätte, möglicherweise ein Familiengrab?

Uns fällt sofort die schlossähnliche Villa Davignon* in der Friedrich-Ebert-Straße ein, 1880 (was für ein Zufall!) von Arwed Roßbach für den Leipziger Kaufmann Davignon erbaut, August Louis Davignon. Das Stadtgeschichtliche Museum bewahrt ein Gemälde auf, welches August Oscar Louis Davignon (1844-1910) im Porträt zeigt, leider kein Wort von Namensvetter Wilhelm.

Was finden wir noch? Dass die Firma Roediger & Davignon in den Branchen Textilhandel, Banken und Wollgroßhandel aktiv gewesen ist und ihren Sitz in Leipzig C1, Walter-Blümel-Straße** 2, hatte. Quelle dafür ist die Wochenschrift für Textil-Industrie vom 3. Mai 1938, erschienen in Theodor Martins Textilverlag, ebenfalls Leipzig C1, Dörrienstraße 9. Insgesamt nicht viel, aber ein Anfang. Wisst Ihr mehr? Thomas, wir und die heutigen Schlossbesitzer platzen vor Neugier …

* seit 2005 Treff der Leipziger Hörgeschädigten
** seit 1945 wieder Löhrstraße

Nachtrag am 02.07.2020: Tausend Dank an Marko, Thomas und unseren Tippgeber Thomas! Die ersten Beiden haben uns über unsere Facebook-Seite mit Unmengen von Informationen versorgt. Der Tippgeber schickte eine Mail mit Rechercheergebnissen aus Südtirol und die heutigen Besitzer des Schlosses, Familie Theiner, stellten eine aktuelle Ansicht zur Verfügung. Super Sache!

Die neuen Erkenntnisse:Wilhelm d’Avignon (geb. 22.06.1848 in Bad Frankenhausen) starb im Schloss Plars am 21.03.1908. Seine Ehefrau (Henriette – siehe unten) starb im Jahr 1906. Wilhelm selbst ist nicht so richtig in Leipzig nachweisbar, allerdings war der Leipziger Wollgroßhändler August Louis Davignon sein älterer Bruder. Die Genealogie und Familienzusammenhänge kann man im 25. Band vom ‚Deutschen Geschlechterbuch‘ (1913) nachlesen. Nach S. 64 gibt es dort sogar ein Porträt von ihm.“ Danke, Marko!

Die (Leipziger) Villa wurde um 1880/81 erbaut. Besitzer: August Oskar Louis Davignon (Kaufmann). Firma: Rödiger u. Davignon Wollhandlung. Wohnung: Mühlgasse 3. Die Firma und Louis Davignon selbst erscheinen erstmals im Adressbuch von 1869. Das Wollgeschäft befand sich bis 1884 im Brühl 82 (Grüne Tanne), ab 1885 im Brühl 13, ab 1890 im Brühl 2, ab 1905 in der Löhrstraße 2, die Firma nennt sich jetzt Wollimport, Kammzug und Abfälle, ab 1910 führt nach dem Tod von Louis dessen Sohn Erich das Geschäft weiter. +++ Das Wollgeschäft Rödiger u. Davignon, das bis in die Kriegsjahre hinein in der Löhrstraße 2 ansässig war, findet man nach dem Krieg im Barfußgässchen 12 wieder.“ Danke, Thomas!

„Die Villa war anfänglich das Grundstück Weststraße 38, ab 1885 bekam es die Hausnummer 77. 1933 wurde die Weststraße in Hindenburgstraße umbenannt.“ Und nach dem Zweiten Weltkrieg dann in Friedrich-Ebert-Straße. Nochmals vielen Dank an Thomas!

Tippgeber Thomas ließ in Südtirol im Archiv (Landesbibliothek Dr. Friedrich Teßmann) stöbern. Das Maiser Wochenblatt meldete am 28.03.1908, dass Wilhelm D’Avignon am 20. (!) im 60. Lebensjahre verstorben sei. „Die Leiche wurde nach Gotha zur Verbrennung geführt, die Asche ward auf dem hiesigen alten evangelischen Friedhofe beerdigt.“ Gotha, nicht Leipzig – das ist interessant. Danke, Thomas!

Nachtrag am 10.03.2021: Bernhard Wöll aus Weilheim in Oberbayern hat uns geschrieben. Bei seinen „Recherchen über die erste Ehefrau des Weilheimer Kunstmalers Anton Mangold“ war er auf unsere Seite gestoßen. Besagte Ehefrau trug den Namen Valerie Swoboda-d’Avignon (1873-1900) und war eine Stieftochter Wilhelm d’Avignons. Dessen Frau Henriette (1840-1906) hatte sie aus erster Ehe mit Wilhelm Swoboda mitgebracht. Eine weitere Stieftochter, Paula Kelcz von Fuslincz, soll 1908 die Traueranzeige für Wilhelm d’Avignon in der Meraner Zeitung aufgegeben haben. Im Stadtmuseum Weilheim hängt ein Gemälde von Anton Mangold, auf dem (vermutlich) Valerie als liegender Akt zu sehen ist. Danke, Bernhard („… vielleicht kann ich mit meinen Nachforschungen etwas zur Suche nach Angaben über die Familie d’Avignon beitragen“)!