Weiter geht es durch den Leipziger Westen! Die Lokale hier sind gemütlich, freundlich und verfügen nicht selten über Wohnzimmer-Charme. Eins hat sogar einen eigenen Kater! Und fast überall finden Veranstaltungen statt – Konzerte, Lesungen, Theaterabende. Unsere Auswahl ist keine vollständige.
Das Noch Besser Leben an der Ecke von Karl-Heine- und Merseburger Straße kann mittlerweile auf jahrelange Präsenz im Viertel verweisen und hat ein Veranstaltungswohnzimmer über dem Gastraum – mit eigener Bar. Die Kneipe darunter füllt sich im Laufe des fortschreitenden Abends sehr (siehe unseren Nachtrag ganz unten am Ende dieses Texts).
Ein Veranstaltungswohnzimmer kann ebenso das Helheim sein eigen nennen; die Kneipe in der Weißenfelser Straße 32 empfiehlt sich vor allem für Heavy-Metal-Hörer, Kicker- und Skatspieler sowie Literaturfreunde. Das gute Essen ist bemerkenswert preiswert. (Zu preiswert? Im Sommer 2016 befindet sich das Helheim auf der Suche nach neuen Räumen – nach Sanierung des Hauses und einer damit zusammenhängenden Mieterhöhung.)
Im La Cantina (Karl-Heine-Straße 54) fühlt Ihr Euch wie im Spanien-Urlaub, die Bar Seventy (Karl-Heine-Straße 70) ist die Stammkneipe der Leipziger Band Zweckgemeinschaft, das Café Tabori eine freundlich-gemütliche Theaterkneipe (Lindenauer Markt 21 – hieß u.a. einst Lindex, jetzt Margareten) und die Tante Manfred im Neuen Schauspiel (Lützner Straße 29) Trägerin des ungewöhnlichsten Kneipennamens. Obwohl – Cityhuhn (Karl-Heine-Straße 38) klingt auch ziemlich durchgedreht. Es gibt noch viele Namen und Kneipen mehr …
Unseren Rundgang beschließen soll das Meins (Weißenfelser Straße 25, in Sichtweite des Helheims; der Laden hieß mal Kap West), der Geheimtipp für Katzenfreunde. Der schwarze Kater Herr Perle schleicht hier von Gast zu Gast, lässt sich streicheln und bettelt wenn überhaupt, dann sehr dezent. Die Gaststätte wirkt gemütlich wie ein Wohnzimmer oder wie Audrey Tautous kleines Zuhause im Film „Die fabelhafte Welt der Amélie“.
Während Big-Band-Swing läuft, wird Jägerschnitzel („ostdeutsch“; 6,80 Euro) serviert oder Karlsbader Schnitte (4,20 Euro), Eier in Senfsoße mit Kartoffeln (5,80 Euro) und danach wahlweise warmer Schoko- oder Vanillepudding (je 2,20 Euro). Die Flasche Afri-Cola kostet 2,20 Euro, Lipz-Schorle 2,60 Euro. Bedient wird schnell und auf eine solche Art freundlich, dass wir auf jeden Fall wieder kommen werden. Wir waren ja auch schon hier, mit Annett und Ute, die uns das Meins damals ans Herz gelegt hatten und – Katzenfreunde wie wir – von Herrn Perle beschmust worden waren.
Schönes Detail: Wer einen „Speisewunsch“ hat, schreibt ihn auf und gibt den Zettel an der Theke ab – Erfüllung sehr wahrscheinlich. Schöne Vorstellung, falls der Winter hereinbrechen sollte: Im Sessel unter der Lampe sitzen, einen Glühwein auf dem Tischchen stehen haben und Michael Schweßingers Lindenau-Bücher* lesen. Antiquarisch sind die garantiert irgendwo zu bekommen …
Stichwort antiquarisch: Wer den BLITZ! vom Januar 2011 noch in der Laube liegen hat, kann darin Folgendes nachlesen: „Vor elf Jahren etablierten zwei junge Frauen eine Leipziger Lesebühne ohne Wettbewerb. Bei der Kneipenlyrik treten u.a. Leute vor Publikum, die sich anderswo nicht trauen. ‚Die anderen sind cool, wir sind nett‘, erklärt Organisatorin und Moderatorin Annett Wagner, die mittlerweile auch Mutter von Helene, Henriette und Theo ist. Freundin Sara Fromm ‚will immer alles, was Annett hat‘, organisiert und moderiert daher ebenfalls und zieht bei der Gelegenheit Jakob, Magda und Johann am Rockzipfel hinter sich her. Die beiden nach wie vor jungen Frauen bringen ihre Kinder oft zur Kneipenlyrik mit.“
Wir trafen Sara letztens oben im Noch Besser Leben, als André Kudernatsch dort aus „Suffis Welt“ las. Wir hatten sie noch nicht gesehen, da hörten wir sie schon lachen. Diesmal waren die Kinder zu Hause geblieben, dafür aber ihr Mann mitgekommen. Die nächste Kneipenlyrik finde am 17. Dezember 2014 im Noch Besser Leben statt, erzählte sie und er lächelte freundlich. Das 15jährige Bestehen der Reihe werde im Februar 2015 gefeiert.
* „In Darkest Leipzig“ (mit der damals noch intakten Guten Quelle auf dem Titel) und „Von Seemännern und anderen Gestrandeten“, siehe auch „Kneipenrundgang West I“
Nachtrag am 26.07.2016: „Das Noch Besser Leben in Plagwitz kämpft derzeit ums Überleben. Um den Anforderungen der Behörden zu genügen sind diverse Baumaßnahmen nötig. Sonst wird der schöne Salon im 1. Stock dicht gemacht, und das wollen wir alle nicht. Daher sammelt das NBL Geld im Rahmen einer Crowdfunding-Aktion.“ (aus einer Mail von Sara und Annett, Kneipenlyrik)
Nachtrag am 01.08.2020: Das Meins ist Geschichte, ein neues Schild (Rotz + Wasser) hängt an der Wand. +++ Ein Jahr später: In der Weißenfelser sahen wir im Vorbeiradeln den aktuell neuen Namen des ehemaligen Meins. Nach dem gefühlvollen Rotz + Wasser, das vor einem Jahr am Lokal zu lesen war, wurde nun unter Zuhilfenahme der groben Axt formuliert: „Holzky – Essen wie ein Holzfäller“. Und über Klaus kam (in den FB-Kommentaren) raus, dass die Kneipe früher Blechlampe hieß. Danke! +++ Dezember 2022: Mittlerweile nennt sich die Gaststätte Hayaku und ist ein Asia-Fusion-Restaurant.
Nachtrag im Januar 2022: Das leider nicht mehr vorhandene Helheim (vormals Alt-Plagwitz) ist im Adressbuch von 1943 als Gaststätte Zur Kaufhalle verzeichnet. Wahrscheinlich weil sich das Kaufhaus Joske einst gleich gegenüber befand, auf dem Hof des Biomare sind noch bauliche Reste zu sehen. Der Dank geht an Julius!