Selbst in den südvorstädtischen Straßen, die voller prächtiger Gründerzeitgebäude stehen, fallen manche Häuser noch positiv auf – wie das „bemerkenswerte herrschaftliche Wohnhaus des Architekten Georg Wünschmann, einer der markantesten Jugendstilbauten in Leipzig, orientiert am Wiener Sezessionsstil“ (Zitat: denkmalliste.denkmalpflege-sachsen.de). Das Doppelmietshaus von 1903 befindet sich an der Ecke von Scharnhorst- und August-Bebel-Straße und sieht etwas anders aus als seine Nachbarn, dafür sorgen u.a. die Farben und der Bauschmuck: Grüne Kacheln und blaue Köpfe zieren rosa Wände.
„Der Christuskopf mit Strahlenkranz im Sternenhimmel und die dämonischen Eckmasken sind typisch für eine mystizierende Variante des Leipziger Jugendstils zwischen 1902 und 1904. Der Ecktrakt greift mit Fachwerkerkern und englischen Fenstern Elemente der Landhausarchitektur auf“, erklärt die Denkmalpflege Sachsen in ihrem Datenblatt zum Gebäude und weiß, dass das Atelier im Dachgeschoss zeitweilig von Frank Ruddigkeit genutzt wurde. Wünschmann und Ruddigkeit zählen zu den bekannten Namen für Bau und Kunst in Leipzig.
Wünschmann (1868-1937) erdachte u.a. das ehemalige LVB-Gebäude mit der auffälligen Kuppel in der Karl-Liebknecht-Straße, Wünschmanns Hof am Dittrichring und das Palmengartenwehr, von Ruddigkeit (1939-2025) stammen u.a. das Karl-Marx-Relief am Verwaltungsgebäude der Universität (das Relief steht jetzt in der früheren DHfK an der Jahnallee) sowie der Fries am Eingang zur ehemaligen Untergrundmessehalle, der heutigen S-Bahn-Station am Markt.
Zurück zu Wünschmanns bemerkenswertem Wohnhaus in der Südvorstadt. Das, so schrieb die Deutsche Stiftung Denkmalschutz in einer Pressemitteilung zum Tag des offenen Denkmals 2022, „ist aufgrund seiner Bauweise und Gestaltung einzigartig und bis heute nahezu in seinem Originalzustand erhalten. Die baukünstlerische Gestaltung, Formensprache als auch Ausstattung folgen einem einheitlichen bis ins Detail abgestimmten Konzept“.
Auch hier wird der Wiener Sezessionsstil erwähnt, wesewegen wir im österreichischen Architektenlexikon (architektenlexikon.at) nachschlugen und erfuhren: „Durch seine Heirat mit einer aus Wien stammenden Opernsängerin ergaben sich Verbindungen zu Österreich, insbesondere zu Kärnten, wo er in Friesach ein feudales Sommerhaus hatte. Diese familiären Kontakte führten dazu, dass Wünschmann auch in Österreich einige bemerkenswerte Bauten errichtete.“
Und weiter: „Anfangs des zwanzigsten Jh.s kommt es zunehmend zu einer Orientierung an der damaligen Moderne, die aufgrund von Wünschmanns persönlichen Verbindungen in formaler Hinsicht auch von Wiener bzw. Darmstädter Einflüssen geprägt war. Dies manifestierte sich, neben der Anwendung neuer Bautechnologien wie Stahlbeton und Skelettbauweise, auch in der Übernahme einer schlichteren, funktionalistischeren Formensprache mit klassizierenden Tendenzen.“ Vergleicht man die Kunst am Bau in der Scharnhorststraße 2 mit der der gleichaltrigen Nachbarhäuser 4 und 6, muss man der Aussage zur moderneren Formensprache zustimmen.
siehe für mehr Jugendstil auch unseren Beitrag „Leipzigs großer Architekt: Paul Möbius“ (März 2025)

